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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht
Autoren: Nicola Förg
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so
genannten Heimatabenden auch mal in die Decke.«
    Sie blinzelte Baier
zu und verschwand leichtfüßig im Wald, ab und zu blitzte die rote Flamme noch
hinter den Bäumen auf.
    Gerhard hatte den
Rucksack inzwischen näher unter die Lupe genommen, der unter anderem einen
Schlüssel mit einem geschnitzten Esel als Anhänger und kleine Hämmerchen und
ein Fläschchen mit Salzsäure enthielt. Er stutzte kurz, dann lächelte er. »Er
hatte Salzsäure dabei, ich nehme an, um Kalk in Steinen nachzuweisen. Ein
Hobby-Geologe, was der hier wohl gehofft hatte zu finden?«
    Und bevor Baier noch
eine Spekulation abgeben konnte, erklang eine helle Stimme hinter Gerhard.
    »Die Eibe ist ein
heiliger Baum, ein Sinnbild der Ewigkeit. Wissen Sie das nicht?« Das kam
tadelnd. »Ihre Zweige dienen der Abwehr von bösem Zauber, der Baum verbindet
mit seinen Wurzeln das Diesseits und Jenseits. Wohl hat er Kraft gesucht, aber
vielleicht hat er die falschen Götter gerufen, die falschen Worte gesprochen.
Es ist der 21. Dezember, das zumindest wissen Sie doch?«
    Gerhard wusste
durchaus, welchen Tag man heute schrieb, dennoch sah er die Dame fragend an.
Sie war um die vierzig, schätzte er. Ihre kohlschwarz umrahmten Augen fixierten
ihn, ihre wilden schwarzen Locken, die sie mit einem schreiend bunten Tuch
zurückgebunden hatte, wippten, als sie einige Schritte auf Gerhard zumachte.
    »Es sind die
Raunächte, es sind die Nächte der Wiederkehr.« Sie machte eine theatralische
Handbewegung, als würde sie auf einer Bühne stehen, und rezitierte: »Abwärts
senkt sich der Weg, von trauernden Eiben umdüstert, führt er durch Schweigen
stumm zu den unterirdischen Sitzen.« Sie machte eine Kunstpause und sagte dann
wieder in ihrer normalen Stimmlage, die eher piepsig war: »Ein Toter in der
Raunacht? Merken Sie denn gar nichts? Böse Mächte haben von ihm Besitz
ergriffen. Sie haben ihn ins Jenseits hinabgezogen.« Der Rehpinscher schickte
ein hohes Heulen hinterher. »Still, Plinius!«, und zu Gerhard gewandt sagte
sie: »Er spürt die negativen Schwingungen mehr als Sie und ich. Sie ja wohl
sowieso nicht!«
    Baier wandte sich an
die Dame. »Frau?«
    »Kassandra!« Sie
reichte ihm eine Karte: Kassandra, Schamanin, eine Adresse in Raisting.
    Baier unterdrückte
ein Grinsen. »Frau Kassandra, würden Sie und Plinius bei unseren Kollegen zu
Protokoll geben, wann genau Sie den Mann gefunden haben? Äh, Frau Kassandra,
Plinius der Jüngere oder der Ältere?«
    »Der Ältere, der
Jüngere ist bereits in die Unterwelt hinabgestiegen, den Styx
hinabgeschwommen.« Sie wandte sich ab, der Ältere Plinius jaulte noch mal auf.
    Baier lachte sein
Knurrhahn-Lachen. »Herrschaft Zeiten, die Frau Kassandra. Heißt wahrscheinlich
Zenzi Hintermooser oder so. Damit kann man aber keine Vorhersagen machen.«
    Gerhard schüttelte
den Kopf und grinste. »Na, Sie haben zu meiner Begrüßung ja wirklich einiges
aufgeboten. Wenden wir uns mal dem Irdischen zu. Ein Hobbygeologe, ein
Tee-mit-Rum-Fan«, er schnüffelte an der aufgeschraubten Trinkflasche, »namens«,
er öffnete die Brieftasche, »Johann Draxl, geb. 1940, wohnhaft in Wessobrunn.
Na, das ist für seine Familie ja eine schöne Bescherung so kurz vor
Weihnachten.«
    Baier schaute auf
die Leiche hinunter. »Er hat keine Kinder. Und keine Frau. Sie ist vor fünf
Jahren gestorben.« Gerhards Blick musste ziemlich irritiert wirken, denn Baier
schickte sich an, hinzuzufügen: »Ich kenne den Mann. Leider.«
    »Leider?«
    »Nicht falsch
verstehen: Herrschaft Zeiten, ein netter Kerl, der Johann Draxl! Aber er hat
uns in der letzten Zeit mehrfach aufgesucht. Hat Anzeige erstattet, er würde
verfolgt und beobachtet. Wollte Personenschutz. War früher Postbote, früh
verrentet. Ein zacher Tropf. Stammt aus ganz ärmlichen Verhältnissen. Ist ein
guter Stockschütze gewesen, heute noch. Und immer bei Wind und Wetter draußen.
Ein ganz bodenständiger Kerl. Drum haben wir die mit den Jacken mit den
zugenähten Ärmeln auch nicht verständigt. Nicht der Typ für Verfolgungswahn.
Aber ich bitt Sie! Was hätt ich machen sollen? Herrschaft Zeiten, und nun ist
er tot. Vielleicht war da wirklich ein Verfolger. Der hat ihn vielleicht zu
Tode erschreckt.«
    Baier sah Gerhard
mit zusammengekniffenen Augen an. Der beherrschte sich nur mühsam. »Sie haben
den von Anfang an erkannt? Ja, warum haben Sie das denn nicht gesagt?«
    »Ich wollte Sie
nicht beeinflussen.« So wie Baier das sagte, lag ein gefährlicher Unterton in
seiner
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