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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht
Autoren: Nicola Förg
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Dann bog er
nach links ab und gleich noch mal, und es wurde schlagartig noch dunkler, als
es an diesem licht- und konturlosen Wintertag schon war. Es war vier Uhr, als
sie unter den düsteren Bäumen parkten. Ein Streifenpolizist war vor Ort.
»Baier, elende Haubn« kam es von irgendwoher, und Baier knurrte ein »Servus, du
meineidiges Arschloch« zurück.
    »Alter Freund von
mir. Haben zusammen bei unserer ersten PI gelernt«, sagte er in Gerhards Richtung.
    Doch – das würde
werden mit dem Verständnis. Gerhard empfand jetzt schon Spaß am oberbayerischen
Grant. Weniger spaßig war das Wetter. Die feuchte Kälte kroch durch Gerhards
Lederjacke, ihn schauderte. Sie gingen einen abschüssigen Weg hinunter, der
schlüpfrig war unter Gerhards Turnschuhen. Die Eiben über ihm flüsterten im
Wind, als raunten sie sich Geheimnisse zu. Ein kleines Holzschild mit der
Aufschrift »Abkürzung« markierte eine Kreuzung. Dort standen noch ein
uniformierter Kollege und eine Dame mit wilder Haarpracht, die einen zitternden
Rehpinscher auf dem Arm hielt. Gerhard und Baier bogen nach links ab, schritten
weiter hinein in das diffuse Licht des Waldes. Der dunklere Weg hob sich wie
ein düsteres Band ab von den verwelkten Gräsern am Rande.
    Ein Mann saß leicht
gekippt in einem hohlen Baum. Der Stamm umgab ihn, schien ihn zu schützen und
zu stützen. Der Mann war tot, seine Augen waren geschlossen. Baier und Gerhard
blickten auf den Oberkörper, der zur Seite gesunken war, was seiner Haltung die
Form eines Fragezeichens gab. Der Mann war etwa Mitte sechzig, von eher kleiner
Statur, ein schmaler, sehniger Typ. Er trug eine Trekkinghose, Flanellhemd und
Weste. Ein Rucksack, der halb offen stand, lehnte links am Baum, rechts war ein
Trekkingrad angelehnt. Alles sehr ordentlich, fast symmetrisch, wie arrangiert
für ein Gemälde. Ein makabres Gemälde.
    Gerhard sah Baier
an. »Wieso sind seine Augen geschlossen? Und er sitzt so merkwürdig da.«
    Baier nickte. »Kommt
mir auch so vor. Irgendetwas ist hier doch nicht ganz normal.«
    Inmitten dieser
Düsternis erhellte plötzlich eine starke Leuchte die Umgebung, und mittendrin
flammten ein orangefarbener Daunen-Anorak und ein verwuschelter Kurzhaarschnitt
in derselben Farbe auf. Die dazugehörige Frau rief: »Baier, grüß dich! Deine
Jungs haben mich angerufen.« Dann gab sie Gerhard die Hand.
    »Herr Weinzirl, nehm
ich an. Sie wurden hier mit Spannung erwartet. Sandra Feistl, grüß Gott!«
    »Sandra Feistl,
Notärztin«, sagte Baier in Gerhards Richtung. »Herrschaft Zeiten, Sandy, du
bringst Farbe in diesen tristen Tag.« Baier strahlte sie an.
    Dann richteten sie
alle den Blick wieder auf den, der Sandra nun in die Knie gezwungen hatte.
    »Woran ist der Mann
gestorben?«, fragte Gerhard.
    »Herzinfarkt, würde ich sagen. Scheint ja ein
sportlicher Bursche gewesen zu sein«, sie deutete auf das Rad. »Aber
körperliche Anstrengung bei der kalten feuchten Luft, das freut die Bronchien
und die Pumpe nicht immer. Er dürfte in den Morgenstunden, spätestens mittags
gestorben sein. Ich glaube, da hast du Herrn Weinzirl zu früh einen Mord
versprochen, Baier. Aber so kurz vor Weihnachten muss das auch nicht sein,
oder, Herr Weinzirl?«
    Gerhard machte eine
unbestimmte Handbewegung. »Er hat die Augen zu. Hat ihm die jemand zugedrückt?
Müssten die nicht offen sein?«
    Sandra Feistl
blickte überrascht auf. »Ja, äh …«
    Baier mischte sich
ein. »Was kreuzt du an, Sandy? Natürlich oder nicht? Müssten die Augen nicht
wirklich offen sein, Sandy?«
    Der Flammkopf
richtete sich auf. »Eher scho wia ned«, sagte Sandy und machte ein dickes Kreuz
auf dem Totenschein. Nicht natürlicher Tod.
    Ihre drei Köpfe
waren eng zusammengesteckt, und sie starrten den Mann an. Aber der würde ihnen
nichts mehr erzählen können. Nichts davon, wie und warum er hierhergekommen
war.
    Gerhard richtete
sich wieder auf. »Wer hat ihn denn gefunden?«
    »Die Dame mit dem
Rehpinscher, die bei euren Kollegen steht. Sie ist ein bisschen, na ja, gaga,
wunderlich, würde ich sagen. Sie hat mich zugetextet, als ich kam. Sie steht da
oben an der Abzweigung. Eine neurotische Persönlichkeit mit Eso-Wahn, scheint
mir.« Die rote Sandy zuckte mit den Schultern. »Ich muss, Leute. Hab noch
einiges auf meiner Agenda. Herr Weinzirl, hat mich gefreut. Kommen Sie doch mal
demnächst zum Bullenstammtisch in die Gogglalm. Da kaff mer uns moi a Hoibe.
Geht da immer recht lustig zu. Manche schießen bei diesen legendären
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