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Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Weinzirl 04 - Gottesfurcht

Titel: Weinzirl 04 - Gottesfurcht
Autoren: Nicola Förg
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Baier.
    »Still, Plinius!«,
rief sie, und so, wie sie Baier ansah, hatte Gerhard irgendwie das Gefühl, die
beiden spielten ein Theaterstück, Chiemgauer Volkstheater, Iberlbühne oder so.
Baier und diese Schamanin gaben ein Kriminalstück, die Charaktere waren
überzeichnet. Gerhard schaltete einen Gang runter.
    »Ich danke Ihnen
inständig dafür, dass Sie so eine gute bayerische Staatsbürgerin sind, ich
werde Herrn Beckstein und Frau Merk davon in Kenntnis setzen, vielleicht gibt
es ja was am Bande. Trotzdem, wo waren Sie?«
    Sie hatte sich
wieder gesetzt und Plinius auf den Schoß genommen. »Ich war bis zwei zu Hause,
dann sind wir losgezogen. Gerade bei schlechtem Wetter muss man rausgehen, um
einer Winterdepression vorzubeugen. Wir sind zum Eibenwald gefahren,
herumspaziert, und gegen drei haben wir den Mann gefunden, den Rest kennen
Sie.«
    Gerhard war sich
sicher, dass diese Frau nicht zu Depressionen neigte. »Also keine Zeugen?«
    »Nein, es steht
ihnen frei, herauszufinden, was mich mit dem Mann im Wald verbindet. Bin ich
seine verschmähte Geliebte oder die uneheliche Tochter? Erpresse ich ihn, weil
ich weiß, dass er im Internet Kinderpornos vertreibt? Finden Sie es heraus! Mit
Verlaub, der Mann sah mir eher aus wie ein Herzinfarkt.« Sie schaute nun Baier
offen an. »Ich habe mal Medizin studiert.«
    »Vielleicht hat Ihr
Plinius den Infarkt durch seine Bellfrequenz ausgelöst?« Gerhard grinste nun
auch.
    »Er bellte erst im
Angesicht des Todes.« Sie rezitierte wieder volksbühnenreif. »Aber wenn Sie
immer noch Zweifel haben an meiner Unbescholtenheit: Ich werde den Landkreis
nicht verlassen, mein Auto schafft es maximal bis an die Grenzen desselben.
Eine Zugkarte ist mir zu teuer. Die Herren«, sie war aufgestanden, »ich stehe
jederzeit zur Verfügung, ich müsste nur jetzt von dannen ziehen. Ich habe
Kunden.«
    »So weissagen Sie
nur«, deklamierte Baier und schien kurz vor einem Lachkrampf zu stehen.
    Kassandra schüttelte
ihm die Hand und reichte sie auch Gerhard.
    »Seien Sie auf der
Hut in diesen Tagen. Lüften Sie Ihr Bett nicht im Freien, Sie kriegen sonst
Krebs. Schneiden Sie weder Haare noch Nägel, sonst werden Sie im nächsten Jahr
an Kopfschmerz leiden. Und heben Sie keine Nuss vom Boden auf, Sie kriegen
sonst Ausschlag.« Gerhard nahm ihre Hand und grinste, weil nun auch er
begriffen hatte, dass sie die Eso-Szene wohl eher karikierte als ernst nahm.
    »Danke für den Hinweis,
ich werde das berücksichtigen, vor allem das mit der Nuss. Ich hasse
Ausschlag.«
    Als sie draußen war,
begann Baier schallend zu lachen. »Was für ein Weib! Köstlich! Bloß zu dünn!
Wie meine daheim auch.«
    Gerhard enthielt
sich des Kommentars und wechselte das Thema. »Haben wir denn den
Obduktionsbericht?«
    »Von wegen. Haben
den Toten in den Kühlschrank geschoben. Mein Freund Stahlmischer ist in Urlaub
gegangen, und seine Assis haben unseren Draxl auf nach Weihnachten vertagt.
Feiertage, ich verabscheue Feiertage.«
    Gerhard verbrachte
den Tag im Büro, lernte Leute aus der Ermittlergruppe kennen, den jungen Felix
Steigenberger und Melanie Kienberger, die ein hübsches Gesicht hatte, aber
einen derartigen Hintern, dass Gerhard mehrmals verstohlen hinsehen musste. Er
bekam eine Einweisung in den Computer, in interne Abläufe, und er erhielt ein
Geschenk. Eine Tasse mit einem grinsenden Elch, die »Jingle Bells« intonierte.
Immer wenn man sie hochhob.
    »Hab ich auch mal
bekommen«, sagte Baier. »Heißer Tipp. In die Mikrowelle stellen, das tötet auch
›Jingle Bells‹. Meine hatte ›Es ist ein Ros ist entsprungen‹. Auch tot!«
    Es war Weihnachten.
Dessen wurde Gerhard schlagartig gewahr. Seit Tagen gabs im Radio Wham mit
»Last Christmas« und Frankie goes to Hollywood mit »The Power of Love«.
Natürlich »Rudi the red-nosed reindeer« und den, der an Weihnachten heimfährt.
Er hatte sich heute Morgen selbst ertappt, wie er mitgesungen hatte: Driving
home for christmas, lalala …
    Und er? Was würde er
machen? Als er seine Eltern von seinen Plänen des Ortswechsels in Kenntnis
gesetzt hatte – etwas früher als Jo –, waren die ganz froh gewesen. Sie hatten
sich für ihn gefreut, dass er die Chance auf eine berufliche Verbesserung am
Schopf gepackt hatte. Sie hatten für Weihnachten sowieso geplant, eine alte
Freundin zu besuchen, die am Tiroler Achensee wohnte. Das Hotel Wiesenhof war
gebucht, seine Mutter schwärmte vom Essen, dem Weinkeller, Chef Hansi und
seiner Frau Alex. Und den
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