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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit
Autoren: Unbekannter Autor
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Geschwister endlich wieder zusammen, doch durch unsere Pflegeeltern erneut getrennt.
    Obwohl die beiden Elternpaare miteinander verwandt waren, sah ich meinen Bruder an den Wochenenden selten. Darüber war ich sehr unglücklich, manches Mal haßte ich unsere Pflegeeltern und meinen Bruder dafür, denn er fühlte sich bei ihnen wohl.
Wiedersehen mit Christian
    Nach meinem achten Geburtstag erlebte ich durch die Fürsorge einer Erzieherin eine besondere Freude.
    Während der Mittagsruhe kam sie in den Schlafraum und sagte zu mir:
    »Komm, steh leise auf, es ist Besuch für dich da!«
    Wer soll mich schon besuchen, fragte ich mich. Plötzlich schob sich Christian durch die Tür. Drei Jahre waren seit seinem Unfall vergangen, und trotzdem erkannte ich ihn sofort wieder. Vor Freude fiel ich ihm um den Hals und heulte los. Er stand ganz ruhig da und lächelte nur. Als ich von ihm ließ, merkte ich, wie sehr er sich verändert hatte. Er war gewachsen, etwas bloß, aber was war mit seinen Augen? Sie sahen immer nach oben. Weshalb sieht er mich nicht an, dachte ich und fragte ihn:
    »Christian, was ist mit deinen Augen?«
    Er drehte sich zu mir, fast flüsternd hörte ich seine Worte:
    »Ich bin blind, ich kann nie mehr sehen.«
    Entsetzen packte mich, das konnte nicht wahr sein, vielleicht machte er nur wieder einen seiner Spaße.
    »Christian, wieviel Finger zeige ich dir?« fragte ich verzweifelt.
    Er sagte eine falsche Zahl. Nun probierte ich es noch einmal und noch einmal, ich wollte es nicht glauben.
    Große Traurigkeit breitete sich in meinem Innern aus, ich fühlte mich immer noch schuldig. Da ergriff ich seine Hand und führte ihn die Treppe hinunter zum Spielplatz, auf dem wir so viel erlebt hatten. Kinder, die uns begegneten, grüßten freundlich, keines lästerte.
    Wenn wir sonst mit Jungen spielten, hieß es gleich: »Ei, ei, ei, was seh ich da, ein verliebtes Ehepaar!« Im Wald redeten wir über unsere früheren Erlebnisse, dann schaukelten wir, und ich fühlte mich so glücklich wie an dem Tag, als ich meinen Geburtstag erfuhr und Christian noch bei mir war.
    Dann spielte ich blind, mit geschlossenen Augen wollte ich Christian suchen. Dabei wurde mir erst richtig klar, wie schlimm es für ihn sein mußte, nie mehr sehen zu können, wo er doch wußte, wie alles aussah.
    Am Abend fuhr er in sein Heim zurück. Der Abschied fiel uns beiden schwer, wir weinten. Einige Kinder, die um uns herumstanden, kicherten verlegen. Ich drückte ihn an mich, und er versprach nur, mich öfter zu besuchen.
    Leider hatten die Erzieher keine Zeit für unsere Probleme. Ich habe Christian nie mehr gesehen.
Ämterplan
    Wieder einmal kam eine neue Erzieherin. Wenn sie Dienst hatte, durften wir nach der Schule draußen spielen. Das machte sie sofort beliebt.
    Unser Tagesablauf war sonst sehr streng geregelt. Geweckt wurden wir um 6.15 Uhr. Egal, was für ein Wetter war, wir mußten unseren Körper durch Frühsport abhärten.
    Nach dem Frühstück (es gab immer das gleiche: Suppe und Marmeladestullen) beeilten wir uns mit den Ämtern. Dafür stellten die Erzieher jede Woche einen Ämterplan auf. Zimmerdienst bedeutete: fegen, den Fußboden wachsen und anschließend mit dem schweren Bohnerbesen auf Hochglanz polieren, für Ordnung in den Schränken und im Zimmer sorgen. Es mußte auch darauf geachtet werden, daß die Betten in vorgeschriebener Weise gebaut wurden. Den Zimmerdienst machte keiner gerne, ständig gab es deswegen mit irgendeinem Mädchen Streit.
    Verhaßt war mir der Waschraumdienst, bei dem man alle Waschbecken mit Ata scheuern mußte. Von dem Gekratze und Gequietsche bekam ich immer eine Gänsehaut. Noch mehr ekelten mich die dreckigen Klos, die dazugehörten.
    Den Mülldienst machte ich gern. Dabei brauchte man nur die Ecke mit den Besen in Ordnung zu halten und den Mülleimer wegzubringen. Mit ein wenig Glück fand ich hin und wieder etwas Brauchbares darin.
    Die langen Flure zu bohnern, machte keinen Spaß, ging aber am schnellsten.
    Hatten wir unsere Dienste erledigt, rannten wir zur Schule. Am Eingang standen die Pioniere oder FDJler vom Dienst und kontrollierten die Mappen. Spielzeug und nicht zur Schule gehörende Bücher wurde uns weggenommen, wir erhielten es zur Zeugnisausgabe zurück, das konnte ein halbes Jahr dauern. Schlimmer war es, wenn sich »Schundliteratur« aus dem Westen in der Mappe befand. Die Lehrer notierten sich dann den Namen, und nach der Schule fand mit dem Erzieher ein Verhör über die Herkunft
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