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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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dunkelhaarig und fast genauso hübsch wie Haylie. Er arbeitete nicht mehr in meinem Wohnheim, aber ich sah die beiden manchmal in seinem Auto vorbeifahren oder über den Campus schlendern. Ständig hatte er einen Arm auf ihren schmalen Schultern liegen und führte sie herum. Weil er groß war und sich nach wie vor den Kopf rasierte, war er aus der Ferne leicht auszumachen, und deshalb hatte ich immer Zeit genug, schnell die Straßenseite zu wechseln oder in ein Gebäude zu schlüpfen, bevor er mich sah. So ging es eine ganze Weile. Und dann, an einem sonnigen Tag im November, tat ich es plötzlich nicht mehr, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gegeben hätte. Er war allein und kam auf mich zu, und ich ging einfach weiter, mit erhobenem Kopf und ohne den Blick abzuwenden. Wir gingen wortlos aneinander vorbei, wobei Jimmy mit leerem Blick unverwandt nach vorne starrte.
    Wir parkten hinter Elise vor Mr. Wansings Haus. Andere Autos standen nicht da. Drinnen waren viele Leute; wir konnten sie durch die Fenster sehen. Alle lebten hier in der Gegend. Niemand hatte einen so weiten Weg, dass er das Auto gebraucht hätte.
    »Auf einmal bin ich nervös.« Meine Mutter starrte Mr. Wansings Haus an. Am Dach blinkten grüne Weihnachtslichter, obwohl die Sonne noch nicht untergegangen war. »Ich habe mit keinem dieser Leute gesprochen, seit ...« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie viel sie wissen, was sie denken.«
    »Macht es dir etwas aus?«, fragte ich. Ich war ehrlich überrascht. Es fiel mir schwer zu glauben, dass ihr nach allem, was sie durchgemacht hatte, eine kleine Feier unter Nachbarn Angst machen könnte. Elise und Charlie kamen schon auf uns zu. Diesmal trug Elise das Babytragetuch mit Miles darin.
    Meine Mutter zuckte die Achseln und strich mit ihren Fingern über den neuen Schal. Es war sogar draußen zu warm für einen Schal oder eine Mütze, aber sie trug beides. »Ich weiß nicht.« Sie sah in die Richtung, wo unser altes Haus lag. »Ich bin immer gern auf diese Party gegangen.«
    »Warum?«, fragte ich. Ich wollte nicht sarkastisch klingen. Es interessierte mich wirklich.
    Sie lachte und schaute wieder zum Haus. »Ich denke, weil wir es jedes Jahr getan haben. Falls das eine Erklärung ist.«
    Das war es. »Dann lass uns jetzt reingehen«, forderte ich sie auf.
    Und sobald wir im Haus waren, fühlte sie sich wohl. Alle freuten sich, sie zu sehen - uns alle, aber vor allem meine Mutter. Sie wurde mehrmals umarmt. Man machte ihr Komplimente für ihr Aussehen. Elise, Charlie und ich saßen auf Klappstühlen in einer Ecke, beobachteten sie, aßen Nusskuchen und lächelten Kinder an, die wir nicht kannten. Ein Kassettenrekorder spielte Weihnachtslieder, aber nicht so laut, dass wir die Gespräche um uns herum nicht hätten hören können. Ein paar Leute sagten meiner Mutter, wie leid es ihnen wegen der Scheidung täte, und ich hörte sie sagen: »Oh, danke, aber es ist gar nicht so schlimm.« Und jedes Mal klang ihre Stimme fester. Der schleimige Mr. Shunke versuchte, sie ein bisschen zu lange zu umarmen, aber Nancy Everton, unsere frühere direkte Nachbarin, kam ihr zu Hilfe.
    »Oh, Natalie, du hast leider die Piltons verpasst«, sagte sie und reichte meiner Mutter ein Stück Kürbiskuchen, sodass Mr. Shunke sie nicht mehr umarmen konnte. »Die Leute, die euer Haus gekauft haben. Sie sind reizend.« Dabei senkte sie ihre Stimme. »Sie mähen den Rasen nicht so, wie sie sollten, und sie lassen deine Rosen vor die Hunde gehen.« Lauter fügte sie hinzu: »Sehr nette Leute, wirklich. Zwei kleine Jungs, und das nächste Kind ist unterwegs. Kein Wunder, dass sie so früh gehen mussten. Sie war wahrscheinlich müde.«
    »Die Glückliche«, erwiderte Elise zerstreut. Miles war aufgewacht und strampelte und quäkte in seinem Tuch. Nach kurzer Beratschlagung mit Charlie beugte sich Elise vor und klopfte mir aufs Knie. »Wir gehen jetzt«, sagte sie. »Wenn du klug bist, kommst du mit. Sie ist in ihrem Element. Wer weiß, wie lange sie noch bleibt?«
    Aber ich beschloss, dazubleiben. Es machte mir nichts aus, einfach dazusitzen und Leute zu beobachten, und ich wollte nicht, dass sich meine Mutter genötigt fühlte, ebenfalls aufzubrechen. Sie amüsierte sich offensichtlich sehr gut, trank Wein und lachte mit Nancy Everton. Mir machte die Party auch Spaß. Ich unterhielt mich mit zwei Mädchen, bei denen ich Babysitter gewesen war, als ich noch zur Highschool ging, und die jetzt beide größer waren als
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