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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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war, »ein echter Heuler«, wie er sagte. Aber mein Vater hatte heute Morgen keinen Anruf erhalten. Wenn es so gewesen wäre, hätte er es erwähnt. Ich glaube, er wäre auch gern hingegangen. Aber Mr. Wansing hatte gewusst, dass er eine Wahl treffen musste. Und er hatte meine Mutter gewählt.
    So sah es aus. Mein Vater bekam eine neue Frau und ein gutes Einkommen; meine Mutter bekam die Nachbarschaftsparty. Als ich darüber nachdachte, änderte ich meine Meinung: Es schien auf einmal völlig in Ordnung zu sein, ohne ihn hinzufahren.
    Wir fuhren mit zwei Autos. Elise wollte Miles' Kindersitz nicht abmontieren, und wir passten nicht alle in ihren Volkswagen. Meine Mutter und ich nahmen den Van, und sie ließ mich fahren - mit meinem neuen Schlüssel im Zündschloss! Es war kaum was los; auf den Straßen von Lawrence herrschte diese etwas unheimliche Leere einer Stadt am Feiertag, wenn alle Banken und Geschäfte geschlossen sind. Die ganze Strecke nach Kansas City hielt ich mich dicht hinter Elise, als würde ich den Weg nicht kennen.
    »Glaubst du, es geht ihr gut?«, fragte meine Mutter und deutete mit dem Kopf auf das Heck von Elises Wagen.
    Ich sah sie überrascht an. »Ich denke schon«, antwortete ich. »Warum?«
    »Ich weiß nicht. Sie wirkt müde. Ich meine, natürlich tut sie das. Was sie macht, ist anstrengend. Anstrengend auf eine Art, die sie wahrscheinlich nicht gewohnt ist.« Sie hatte ihre Hände im Schoß verschränkt und schien tief in Gedanken versunken zu sein.
    »Du hast ihr das Babysitting geschenkt«, erinnerte ich sie. »Das hilft bestimmt.«
    Sie sah mich an und lächelte freundlich, als gäbe es viel, wovon ich keine Ahnung hatte. Sie schüttelte den Kopf. »Ich rede mit ihr«, beschloss sie dann.
    Danach wurde sie lebhaft, summte die Weihnachtslieder im Radio mit und schien bester Stimmung zu sein, aber als wir uns unserem Ziel näherten, wurde sie still. Wir schauten beide hinaus, als wir an den Orten unseres alten Lebens vorbeifuhren: meine Grundschule; der Supermarkt, wo meine Mutter unzählige Male Einkaufswagen durch die Regalreihen geschoben hatte; das italienische Restaurant, in das meine Eltern an Hochzeitstagen und bei anderen besonderen Gelegenheiten gegangen waren; der Park, in dem Bowzer sich austoben durfte, als er jung war. Noch vor zwei Jahren hätte ich vielleicht die Augen vor der Langeweile dieser Vorortidylle verschlossen. Ich hatte sie zu oft an einem Schulbus oder dem Van meiner Mutter vorbeiziehen sehen. Aber nun, da wir unterwegs waren zu alldem, was wir verloren hatten, verlieh allein die Vertrautheit der Häuser und ruhigen Straßen allem einen fast magischen Glanz. Die Vergangenheit war nicht verschwunden. Wir konnten jederzeit zurückkommen, wenn wir wollten, indem wir einfach dem alten Weg folgten.
    Aber in der letzten Minute konnte ich es dann doch nicht. Als wir von der Hauptstraße abbogen und in unser altes Viertel fuhren, bog Elise in die Straße ab, in der Mr. Wansing lebte - aber ich tat es nicht, weil wir dann an unserer alten Sackgasse vorbeigekommen wären. Das Dach unseres Hauses - das Dach, mit dem alles begonnen und aufgehört hatte - wäre von der Straße aus zu sehen gewesen. Vielleicht konnte Elise daran vorbeifahren, aber ich wollte es nicht, und ich glaubte auch nicht, dass es für meine Mutter gut gewesen wäre. Wenn wir stattdessen in die nächste Straße abbogen und zurückfuhren, würden wir aus der anderen Richtung kommen und unser Haus nicht sehen. Als meine Mutter merkte, dass wir Elise nicht folgten, schaute sie mich an, sagte aber nichts.
    Die längere Strecke führte uns am Haus der Butterfields - oder vielmehr ihrem ehemaligen Haus - vorbei. An dem Springbrunnen hing ein Adventskranz. Der steinerne Löwe war verschwunden und durch einen normalen verschließbaren Briefkasten ersetzt worden.
    »Ich habe erst letzte Woche mit Pamela gesprochen«, erzählte meine Mutter. »Sie war ein bisschen niedergeschlagen, weil Haylie über Weihnachten nicht nach Hause kommen konnte. Um die Zeit haben sie am meisten zu tun. Aber ich glaube, es gefällt ihr da draußen wirklich gut.«
    Ich nickte. Haylie hatte das College verlassen und arbeitete jetzt in einem Wintersportort in Colorado. Ihre Mutter hatte meiner erzählt, dass sie gut verdiene und Geld spare. Ich wusste nicht, ob der Umstand, dass sie von der Schule abgegangen war, zu ihrer Trennung von Jimmy geführt hatte oder ob es umgekehrt gewesen war. Wie auch immer, Jimmy hatte eine neue Freundin,
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