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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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gewesen.«
    Ich wand mich innerlich. Es gab Dinge, die ich von ihr nicht wissen wollte, Bilder, die ich nicht im Kopf haben wollte.
    »Veronica. Würdest du mich bitte anschauen?«
    Ich zog die Augenbrauen hoch. Sie hatte mit all der Autorität gesprochen, die sie vor einigen Jahren noch mir gegenüber besessen hatte. So, als wäre ich wieder vierzehn und sie wollte, dass ich den Geschirrspüler ausräume.
    »Schau mich bitte an, Veronica. Es steht dir immer noch nicht zu, unhöflich zu sein.«
    Also schaute ich sie an. Meine Mutter hat schöne Augen. Sie sind groß und dunkel und lassen sie freundlich und ein wenig besorgt aussehen, sogar, wenn sie sauer ist. Ich schürzte die Lippen und wartete.
    »Ich weiß, dass dein Vater und sein Anwalt alles Mögliche aus diesem Zettel machen werden.« Sie schluckte. »Aber ich möchte, dass wenigstens du weißt, dass Greg und ich nie ... miteinander geschlafen haben.«
    Ich hielt mir die Ohren zu.
    »Fein.« Sie fummelte am Heizknopf herum. »Ich wollte bloß, dass du es weißt. Es war Freundschaft. Vielleicht hätte daraus später ... Es waren Gefühle im Spiel. Bei mir jedenfalls. Aber wir haben nur geredet, viel geredet. Auch an dem Tag, als er einschlief ... haben wir nur geredet.«
    »Im Bett?« Verärgert über mich selbst schüttelte ich den Kopf. Ich hatte sie gerade gebeten, mir die Details zu ersparen.
    »Ich war unglücklich. Unglücklich in meiner Ehe und unglücklich im Allgemeinen. Es war schön, mit jemandem zu reden.«
    »Warum hast du dich dann nicht scheiden lassen?« Vor deiner Schlafparty, meinte ich. Ich brauchte es nicht zu sagen. Mein Ton war herablassend, der eines Erwachsenen, der mit einem Kind spricht. Es war ein gutes, befriedigendes Gefühl - und dann auch wieder nicht.
    Sie schüttelte den Kopf. Das war alles. Vielleicht wusste sie keine gute Antwort. Das war etwas, worin sich meine Eltern unterschieden. Mein Vater sprach alles aus, brachte klare Argumente für seine Verstimmung vor, aber bei meiner Mutter blieb es mir überlassen, Vermutungen anzustellen und Hinweise aus dem Gedächtnis zusammenzustückeln. Ich hatte keine Ahnung gehabt, dass sie unglücklich war. Vielmehr hatte ich mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, ob sie glücklich oder unglücklich war. Das letzte Jahr, das ich zu Hause gelebt hatte, war meine Mutter damit beschäftigt gewesen, meine Großmutter väterlicherseits zu Arztterminen und sogar zu einem Metzger auf der anderen Seite der Stadt zu bringen, bei dem es Eisbein gab - eine Spezialität, bei der meiner Mutter übel wurde, die ihre Schwiegermutter aber an ihre glückliche Jugend in Queens erinnerte. Meine Mutter lernte, ein Blutzuckermessgerät abzulesen. Sie wurde Expertin darin, den Rollstuhl meiner Großmutter zusammenzuklappen, im Kofferraum zu verstauen und wieder herauszuholen. Dreimal in der Woche gingen sie in ein Schwimmbad, und meine Mutter watete mit ihr durch das Wasser.
    Mein Vater war ihr dankbar. Ich erinnere mich, dass er das immer wieder beteuerte. Er wünschte, er könnte mehr tun, sagte er, aber vom finanziellen Standpunkt aus sei es in diesem Jahr nicht günstig, sich frei zu nehmen. Die Ausgaben summierten sich: Elise studierte Jura. Ich sollte bald aufs College gehen. Das Geld meiner Großmutter war verbraucht, und sie lebte immer noch. Deshalb standen mein Vater und meine Mutter jeden Tag früh auf und waren schon weg, bevor ich in den Schulbus stieg, aber am Ende des Tags schien meine Mutter die Müdere von beiden zu sein. Nach dem Abendessen ging sie gewöhnlich ins Schlafzimmer - um zu lesen, wie sie sagte. Aber wenn ich nach acht an ihrem Zimmer vorbeiging, waren ihre Augen meistens geschlossen. Zu der Uhrzeit, wenn ich ins Bett ging, saß mein Vater immer noch unten in seinem Sessel und schaute sich die Fernsehnachrichten an, Bowzers Kopf auf seinem Schoß.
    »Meine Güte, das ist aber ein großes Gebäude, in dem du da lebst.« Sie beugte sich über das Lenkrad, um zum Wohnheim hinaufzuschauen. Ihre Stimme hatte den entschlossen munteren Klang, den ich von vor ein paar Monaten kannte.
    »Ja.« Ich drehte mich um und schaute auch hinauf. Aus diesem Blickwinkel betrachtet war mein Wohnheim ein großes, schlichtes Rechteck aus braunem Ziegelstein. Innen sah es ungefähr genauso aus. »Darin wohnen tausend Leute.«
    »Das sind zu viele.« Sie schnalzte mit der Zunge. »Das kann ja nicht gemütlich sein. Ehrlich, ich weiß nicht, warum du nicht mehr Druck gemacht hast, Veronica. Ich habe
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