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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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meistens schien es ihn zu freuen, einen Sparringspartner zu haben und außerdem daran beteiligt gewesen zu sein, eine jüngere und hübschere Version seiner selbst zu erschaffen. Als Elise ihr Jurastudium begann, pfiff er tagelang Yes, Sir, That's My Baby, wenn er durchs Haus lief.
    Aus diesem Grund wollte ich natürlich mit etwas ähnlich Beeindruckendem aufwarten. Allerdings wollte ich nicht dasselbe machen, was Elise machte, nicht einmal etwas in dieser Richtung. Ich wollte etwas ganz anderes anfangen, etwas, was ich besser konnte - mein ganz eigenes Ding.
    Das Problem war nur, dass ich nicht wusste, was das sein sollte. Ich hatte gute Noten und las gern. Ich konnte eine Brücke machen. Als Mädchen hatte ich die üblichen beruflichen Fantasien gehegt: Meeresbiologin, Pferdetrainerin, Delfin-Expertin. Aber meine Eltern haben mich beide auf ihre Art von einem Beruf, der mit Tieren zu tun hatte, abgehalten. Die Vorbehalte meines Vaters waren pragmatischer Natur. »Doofkopf«, sagte er. »Schätzchen, Tierarzt ist einer der schlimmsten Berufe, den du dir aussuchen kannst. Du musst genauso lange studieren wie ein Humanmediziner und verdienst nur etwa ein Fünftel des Geldes, Süße. Warum solltest du dir das antun?«
    Meine Mutter fand auch, dass ich eine andere Richtung einschlagen sollte, wenn auch aus einem ganz anderen Grund: Sie wies mich wiederholt darauf hin, dass ich meinen eigenen Hund vernachlässigte. »Du hast versprochen, dass du dich um den Welpen kümmerst, wenn wir dir einen schenken«, erinnerte sie mich. »Du hast gejammert, gebettelt und gesagt, du würdest ihn füttern und ausführen. Und wer kümmert sich jetzt um Bowzer? Wer geht mit ihm Gassi, wenn es draußen fünf Grad kalt ist? Wer füttert ihn? Wer sorgt dafür, dass er frisches Wasser bekommt? Wer macht hinter ihm sauber?«
    Die Antwort lautete natürlich, dass meine Mutter all das machte. Bowzer war ein süßer Hund, ein munterer, kleiner Schnauzermischling, und als er noch jung war, spielten meine Schwester und ich gern an sonnigen Tagen mit ihm im Garten und kuschelten abends mit ihm. Mein Vater hatte Bowzer auf dem Schoß, wenn er sich die Nachrichten anschaute, hielt ihn wie ein Baby und kraulte ihm den Bauch. Aber es war meine Mutter, die wirklich für Bowzer sorgte - auch bevor er alt wurde und zu müffeln anfing. Als ich aufs College ging, war er taub und praktisch blind, und aus seinem Rücken stand eine Fetttasche wie ein Griff hervor. Als sich meine Eltern trennten, bekam meine Mutter automatisch das alleinige Sorgerecht für Bowzer.
    Erst in meinem zweiten Collegejahr, nicht lange nach der Trennung meiner Eltern, kam mir der Gedanke, Medizin zu studieren. Ich hatte im ersten Jahr in Biologie glänzend abgeschnitten, und mir gefiel die Vorstellung, Menschen zu helfen. Ich hatte unsere Hausärztin immer bewundert, eine ruhige, fürsorgliche Frau, die einmal im Jahr Urlaub von ihren Mittelschichtpatienten nahm, um in Kenia Flüchtlingskinder zu impfen. Sie irrte sich so gut wie nie bei ihren Diagnosen oder Behandlungsmethoden, und selbst mein Vater sprach immer voller Hochachtung von ihr. Ich dachte, ich könnte vielleicht etwas auf dem Gebiet der medizinischen Forschung erreichen. Ich sah mich in einem ruhigen Zimmer irgendetwas Wichtiges mit Teströhrchen machen, das dazu beitragen würde, viele Leben zu retten - oder wenigstens zu verbessern. Geld bedeutete mir nicht besonders viel, jedenfalls nicht auf die Art wie meinem Vater. (»Das wird es«, versicherte er mir ernst.) Aber es bedeutete mir sehr viel, wie sehr er sich freute, als ich ihm sagte, dass ich Pre Med belegen wollte, Vorbereitungskurse für das Medizinstudium.
    »Das ist sehr klug von dir«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf mich, obwohl außer uns niemand in seinem Wagen war. Wir waren auf dem Weg zur Reinigung, um zwei seiner Anzüge abzuholen. Offensichtlich sei das eine Aufgabe, die man nur zu zweit bewältigen könne, wie er mir erklärte, denn warum, zum Teufel, solle eine Reinigung auf die Idee kommen, Kundenparkplätze anzubieten? Warum nicht einfach davon ausgehen, dass ein zahlender Kunde seine Tochter, die er über einen Monat nicht gesehen hatte, mitbrachte, damit er im Wagen warten konnte, während sie ins Geschäft lief, um seine Anzüge zu holen? Er ließ sich gut drei Minuten lang über dieses Thema aus, und ich sagte nichts. Bis vor Kurzem hatte meine Mutter seine Sachen aus der Reinigung geholt, und ich wusste nicht, wo oder wie sie geparkt
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