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Weil wir glücklich waren - Roman

Weil wir glücklich waren - Roman

Titel: Weil wir glücklich waren - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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Housesitting.«
    »Oh. Cool. Für einen Dozenten oder so?«
    Ich schüttelte den Kopf, und sie wartete wieder.
    »Für Jimmy Liff«, sagte ich schließlich.
    Gretchens überraschter Gesichtsausdruck bestand aus lauter Kreisen: ihre runden, blauen Augen, ihr o-förmiger Mund, die rosa Flecken auf ihren Wangen, die aussahen wie bei einer Puppe.
    »Woher kennst du ihn überhaupt?«
    »Er arbeitet hier. Er ist Sicherheitsbeamter.«
    »Das weiß ich.« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ihr befreundet seid.«
    Ich stellte mich blöd, aber ich wusste, was sie meinte. Jimmy Liff war Soziologiestudent im sechsten Studienjahr und nahm es mit seiner Aufgabe als Sicherheitsbeauftragter des Wohnheims ein bisschen zu ernst. Die Entschlossenheit, mit der er dafür sorgte, dass die Regeln beachtet wurden, war wegen seines Aussehens ziemlich überraschend. Sein Kopf war rasiert, er trug enge weiße T-Shirts, sogar im Winter, und seine muskulösen Arme waren beide tätowiert - links ein Krokodil mit weit aufgerissenem Maul, rechts eine Reihe chinesischer Schriftzeichen. In seiner Nase steckte eine Art silberner Bolzen, der aussah, als sei er schwer und täte weh. Aber Jimmy Liff war kein Rebell, kein Anarchist. Er schrieb Leute auf, wenn sie nur ein bisschen zu laut Musik hörten, und war gnadenlos bei morgendlichen Joggern, die vergessen hatten, ihren Ausweis einzustecken. Um Halloween herum hatte er während eines Feueralarms ein Zimmer aufgeschlossen und auf dem Fensterbrett eine kleine Marihuanapflanze gefunden. Sobald die Sirenen verstummt waren, hatte er die Polizei verständigt. Es gab leisen Protest, aber ein furchtloser Student hatte das Wort FASCHISTENSCHWEIN auf die Tür von Jimmys orangerotem MINI Cooper gemalt, als er auf dem Parkplatz für Angestellte stand.
    »Mir macht der Typ Angst.« Gretchen rümpfte die Nase. »Warum machst du das? Warum braucht er einen Housesitter?«
    »Er fährt übers Wochenende weg. Ich glaube, er hat anspruchsvolle Pflanzen.«
    Gretchen senkte ihr Kinn und machte ein skeptisches Gesicht.
    »Orchideen«, erklärte ich. »Er hat etwas von Orchideen und Farnen gesagt.«
    »Jimmy Liff züchtet Orchideen?«
    »Hat er jedenfalls gesagt.« Ich starrte wieder ins Buch. »Ich muss sie bloß jeden Tag besprühen und die Luftfeuchtigkeit überprüfen. Außerdem braucht er jemanden, der ihn zum Flughafen bringt.« Lächelnd hob ich den Kopf. »Ich fahre ihn hin und kann dann am Wochenende sein Auto haben.« Dann lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und schwenkte meine Hände über dem Kopf. Ich war richtig aufgeregt.
    »Wow. Das Auto, auf dem FASCHISTENSCHWEIN steht?«
    Ich runzelte die Stirn. Das würde ich mir nicht von ihr vermiesen lassen. Sie hatte ein Auto, sie verstand das nicht. »Das Meiste davon hat er runterbekommen«, sagte ich. »Man kann es kaum noch sehen. Er zahlt mir fünfzig Dollar. Und ich habe gehört, dass sein Haus echt toll sein soll. Ich glaube, er hat einen Jacuzzi.«
    »Ja, das habe ich auch gehört.« Sie schaute an meiner Schulter vorbei auf ihre Zimmertür. Dann schaute sie auch über ihre eigene Schulter. »Weißt du, warum es meiner Meinung nach so toll ist?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Drogas«, flüsterte sie. Gretchen studierte auch Spanisch. »Er verkauft drogas.«
    Wieder runzelte ich die Stirn. Das waren Informationen, die ich nicht haben wollte.
    »Weißt du das genau?«
    Sie sah mich an, als wäre ich bescheuert, nicht nur in Bezug auf chirale Moleküle, sondern auch im Hinblick auf die Welt im Allgemeinen. »Wie viele Collegestudenten kennst du, die in einem Haus beim Country Club wohnen? Und der Wagen?«
    »Indizienbeweise«, sagte ich. Das war es, was mein Vater gesagt hätte, und was Elise gesagt hätte. Manchmal konnte ich denken wie die beiden. Ich konnte bloß nicht die einschüchternde Art nachmachen, wie sie etwas sagten, gelangweilt und kampfbereit zugleich. Ich klang einfach nervös. »Vielleicht hat er reiche Eltern.«
    »Warum hat er dann einen so schlecht bezahlten Job?« Sie klappte den Deckel des Chicken Satay zu. »Ich bitte dich. Da geht es um Kontakte. Ich wette, dass er das Wohnheim beliefert. Vielleicht sogar alle Studentenwohnheime.«
    Ich hielt inne, um über das, was sie gesagt hatte, nachzudenken. Es ist eine Schwäche von mir, dieses Bedürfnis, einen Moment ruhig zu werden und die Informationen zu verarbeiten, mich ständig zu fragen, ob nicht ich es war, die falschlag. Weder Elise noch mein
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