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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition)
Autoren: Jana Frey
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hatte ich es nicht sofort gesehen? Eine kleine Formation aus Holzmenschen, die Hand in Hand in Hand in Hand durch das wieder frühlingshaft wachsende Gras der McKinley-Wildnis gingen. Vatermutterkindkind. Raymond, Rabea, Oya und ich. Len fehlte natürlich, weil Oya aufgehört hatte, daran zu arbeiten und nach Göteborg geflohen war, gerade als Len und Raymond wieder aufgetaucht waren aus dem Nirvana, in dem sie so lange geschlummert hatten.
    Still saß ich mitten im Spiralweg und weinte. Ganz zu Beginn, als der Weg der Sinne noch in den allerersten Zügen gelegen hatte, hatte Oya mir erklärt, was Mr Walenta dem Kurs erklärt hatte. Etwas über positive Schwingungen solcher Wege.
    »Kraftorte«, hatte Oya zu mir gesagt und Billyboy gestreichelt. »Energiebahnen. Der Mantel der Erdkruste ist durchzogen davon. Sie stellen eine Vernetzung von einem Kraftort zum anderen dar.«
    »Also Hokuspokus«, warf Brendan mit hochgezogener Augenbraue ein.
    »Noch nie von Pilgerwegen gehört?«, war Oyas Erwiderung gewesen. »Aus solchen vernetzten Kraftorten wurden Pilgerwege, die die Menschen heutzutage zuhauf bereisen. Für teuer Geld und richtig gebucht!«
    Mr Walenta hatte seinem Kurs erklärt, dass der Stein der ältere Bruder des Menschen sei. Er sei Informationsträger und könne als Mittler zwischen den Dimensionen eingesetzt werden.
    »Aber nicht nur Steine können das«, fuhr Oya fort. »Alle Naturelemente haben diese Fähigkeit. Nur ist der Stein der stärkste Kraftspender. Und dann kommt es eben noch darauf an, die Elemente nach den Gesetzen der heiligen Geometrie an ganz bestimmten Orten in eine architektonische Form zu bringen. – Ergo unser Spiralweg der Sinne.«
    »Und das Ganze in der guten, alten McKinley-Wildnis, weil sie sowieso ein mystischer Ort ist, was?«, spottete Brendan. »Echt, Oya, du bist der Hammer! Einerseits intelligent bis zum Durchdrehen, dann aber durchgeknallt wie Millionen andere Esoteriker.«
    Dran glauben : Darius sagte, er glaube ebenfalls, dass die McKinley-Wildnis etwas Besonderes umgab (dasselbe sagte er mir, als er mir seine geheime Höhle zeigte). Zelda bestätigte es (aber, wie ich heute glaube, nur, weil sie gerne einer Meinung mit Darius war), ich glaube es auch (schon alleine in Erinnerung an die Sciara del Fuoco , die berühmte Feuerrutsche an der Nordwestseite von Stromboli. Dort fließt die Lava immer wieder direkt bis ins Meer, und wenn man sich dort aufhält, spürt man Energie durch und durch, die einen einerseits ganz schwach macht, während sie einen andererseits mit merkwürdig pulsierender Kraft auflädt.)
    Eine ganze Weile saß ich einfach nur da und glaubte, die Energie des Spiralwegs zu fühlen, je länger ich saß, umso intensiver.
    Und dann sah ich ihn kommen. Er kam einen anderen Weg entlang, was darauf hindeutete, dass er vom Haupthaus kam und am Steinschlag entlanggegangen war. Was tat er hier um diese Zeit bloß?
    Ich saß da wie erstarrt. Immer noch berührten meine Fingerspitzen Vatermutterkindkind, RaymondRabeaOyaKassandra. Das Holz war wärmer als meine Hände.
    Elija sah mich nicht. Er ging etwa fünfzig Meter links von mir über die von wilden Büschen bestandene Wiese. Es war die sogenannte Krähenwiese, weil dort immer so wahnsinnig viele Krähen in den Bäumen kreischten. Irgendwann blieb er einfach stehen und lehnte seine Stirn gegen den schlimmsten Krähenbaum. Ein, zwei, drei, vier, bestimmt fünf Minuten vergingen, in denen ich wie erstarrt dasaß und Elija mit der Stirn am Baum lehnte und sonst nichts tat. Seine Hände hatte er immer noch in den Hosentaschen seiner Jeans.
    Da hielt ich es nicht mehr aus. Ich stand auf und spürte für einen Moment alle Knochen in meinem Körper. Meine Knie schmerzten vom langen Kauern in dieser unmöglichen Position, meine Schultern fühlten sich verspannt an, genauso mein Nacken. So mussten sich alte Leute fühlen.
    »He, Elija …«
    Er fuhr zusammen und herum.
    »Kassandra …«
    Er kam näher, wenigstens ein Stück, dann blieb er wieder stehen.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    Er offenbar auch nicht.
    Schließlich standen wir uns doch gegenüber und vermieden es, uns anzusehen.
    Und wenn wir weit weg gehen würden, er und ich, nach Europa oder so? Schließlich war ich die Weltenbummlerin, und ich war achtzehn und würde in wenigen Wochen meinen Schulabschluss in der Tasche haben.
    Langsam holte Elija seine Hand aus der Hosentasche, endlich, und fuhr mit seinem Zeigefinger die Linie meines
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