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Weil Du an die Liebe glaubst

Weil Du an die Liebe glaubst

Titel: Weil Du an die Liebe glaubst
Autoren: Mary Jo Putney
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aber sein Kopf ruhte an einer weichen Wölbung. Wenn er sich bewegen könnte, würde er sein Gesicht an ihren Körper pressen. Dann würde er in Frieden sterben können.
    Seine Kehle war zum Schlucken zu trocken, und Wasser rann aus seinem Mund und lief über sein Kinn herab. Sachlich sagte sie: »Verzeihung, ich hätte Ihnen nicht so viel geben dürfen. Versuchen wir’s noch einmal.«
    Sie neigte ihr Gefäß so, daß nur wenige Tropfen zwischen seine geplatzten Lippen fielen. Es gelang ihm, genug zu schlucken, um das Brennen in seiner Kehle zu lindern. Geduldig gab sie ihm mehr, immer nur jeweils ein bißchen, bis der quälende Durst vorbei war.
    Als er wieder sprechen konnte, flüsterte er:
    »Danke, Madame. Ich bin… Ihnen sehr dankbar.«
    »Ich habe es gern getan.« Sie ließ ihn auf das Stroh zurücksinken, erhob sich dann und ging zu dem Ballen daneben. Nach einem Augenblick sagte sie bekümmert »Vaya con Dios.« Geh mit Gott. Es war ein spanisches Lebewohl, das noch mehr zu den Toten als zu den Lebenden paßte.
    Nachdem sie sich entfernt hatte, döste Michael wieder ein. Er bemerkte nur vage, als Ordonnanzen kamen und den Körper von dem benachbarten Ballen nahmen. Wenig später wurde ein anderer Verwundeter auf den freien Platz gelegt.
    Der Neuankömmling war im Delirium und murmelte fortwährend: »Mutter, Mutter, wo bist du?« Seine Stimme verriet, daß er sehr jung war und schreckliche Angst hatte.
    Michael versuchte, das herzzerreißende Flehen nicht zu hören. Es gelang ihm nicht, doch die immer schwächer werdenden Worte verrieten, daß der Junge wahrscheinlich nicht mehr sehr lange leben würde. Armer Teufel.
    Eine andere Stimme war am Fußende von Michaels Lager zu hören. Es war die des schottischen Chirurgen, der sagte: »Holen Sie Mrs. Melbourne.«
    »Sie haben Sie selbst heimgeschickt, Dr.
    Kinlock«, sagte eine Ordonnanz unsicher. »Sie war sehr erschöpft.«
    »Sie wird uns nicht verzeihen, wenn sie erfährt, daß der Junge so gestorben ist. Holen Sie sie.«
    Eine unbestimmte Zeit später hörte Michael das leise, eindeutig weibliche Rascheln von Petticoats.
    Er öffnete seine Augen und sah die Silhouette einer Frau, die ihren Weg durch die Scheune nahm. Neben ihr war der Arzt, der eine Laterne trug.
    »Sein Name ist Jem«, sagte der Chirurg mit leiser Stimme. »Er kommt von irgendwo aus dem Osten Englands. Aus Suffolk, glaube ich. Der arme Junge hat einen Bauchschuß und wird es nicht mehr lange machen.«
    Die Frau nickte. Obwohl Michael noch immer nur verschwommen sehen konnte, glaubte er, daß sie das dunkle Haar und das ovale Gesicht einer Spanierin habe. Doch ihre Stimme war die der Dame, die ihm Wasser gebracht hatte. »Jem, Junge, bist du’s?«
    Das monotone Rufen des Jungen nach seiner Mutter endete. Mit einem Zittern verzweifelter Erleichterung in der Stimme sagte er: »Oh, Mutter, Mutter, ich bin so froh, daß du hier bist.«
    »Es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, Jemmie.« Sie kniete sich neben den Strohballen des Jungen, bückte sich dann und küßte ihn auf die Wange.
    »Ich wußte, du würdest kommen.« Jem tastete unbeholfen nach ihrer Hand. »Ich habe keine Angst mehr, jetzt, wo du hier bist. Bitte… bleib bei mir.«
    Sie nahm seine Hand in ihre. »Hab keine Angst, Junge. Ich werde dich nicht allein lassen.«
    Der Chirurg hängte seine Laterne an einen Nagel über das Lager des Jungen und zog sich zurück.

    Die Frau – Mrs. Melbourne – setzte sich in das Stroh an der Wand und nahm Jems Kopf in ihren Schoß. Er stieß einen tiefen Seufzer der Zufriedenheit aus, als sie sein Haar streichelte.
    Sie begann ein sanftes Wiegenlied zu singen. Ihre Stimme schwankte nie, obwohl Tränen auf ihren Wangen glitzerten, während Jems Leben langsam erlosch.
    Michael schloß seine Augen und fühlte sich besser als zuvor. Mrs. Melbournes Wärme und Großmut waren eine Erinnerung an all das, was gut war und wahr. So lange noch irdische Engel wie sie existierten, war das Leben vielleicht lebenswert.
    Er sank in Schlaf, und ihre weiche Stimme erwärmte ihn wie eine Kerze, die der Dunkelheit trotzt.
    Die Sonne schob sich langsam über den Horizont, als Jem seinen letzten, schweren Atemzug machte und dann still wurde. Catherine ließ ihn auf das Stroh zurücksinken, erfüllt von einem Kummer, für den sie keine Tränen fand. Er war so jung.
    Ihre verkrampften Beine versagten fast, als sie aufstand. Als sie sich an die grobe Steinwand lehnte und darauf wartete, daß ihre Muskeln
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