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Weihnachtsengel gibt es doch

Weihnachtsengel gibt es doch

Titel: Weihnachtsengel gibt es doch
Autoren: S Wiggs
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worden wäre. Einen Moment lang dachte sie, er würde einen Anfall bekommen oder so.
    Stattdessen warf er jedoch seinen Kopf in den Nacken und lachte so laut, dass sich sämtliche Köpfe zu ihm herumdrehten. „Sie bringen mich noch um“, japste er. „Wirklich, das überleb ich nicht.“
    Sie versuchte, die neugierigen Blicke zu ignorieren. „Warum?“
    „Weil, Lady, ich Ihnen sagen kann, dass Sie bereits angepisst geboren wurden.“
    „Und das können Sie sagen“, sie sah ihn herausfordernd an, „weil Sie … was? So ein unglaublich gutes Urteilsvermögenfür den Charakter anderer Leute haben?“
    „Nein, weil Sie nichts verbergen“, erwiderte er.
    „Sie haben keine Ahnung, ob ich etwas verberge oder nicht“, widersprach sie. „Sie wissen nicht das Geringste über mich.“
    Sein Blick huschte über sie, nahm ihre praktischen Stiefel auf, die schlichte Kleidung, den Tuchmantel, die handgestrickten Accessoires, die Brille, den Stapel Bücher und das Klemmbrett.
    „Ich weiß alles, was ich wissen muss“, sagte er.
    „Und das wäre?“
    „Ray Tolley sagt, dass Sie die Stadtbibliothekarin sind.“
    Ray, der Keyboard spielte, war für die Musik des Krippenspiels zuständig. Maureen versuchte, zu entscheiden, ob es sie erfreute oder nicht, dass Ray mit Eddie Haven über sie gesprochen hatte. „Das ist nicht gerade ein Staatsgeheimnis.“
    „Sie sind eine Leseratte und beinahe schon Furcht einflößend organisiert“, fuhr er mit einem Blick auf ihre Bücher und Papiere fort.
    Sie schnaubte. „Und Sie stecken mich in Schubladen. Noch dazu in die völlig falschen.“ Er hatte unrecht. Sie räusperte sich und funkelte ihn dann an. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er einen Ohrring trug. Einen einzelnen, sexy aussehenden goldenen Ring in einem Ohrläppchen. Außerdem hatte er ein Tattoo, das sich bewegte, wenn er den Arm beugte. Sie konnte sich gut vorstellen, wie es aussah, wenn er über die Seiten seiner Gitarre strich. Alles offensichtliche Anzeichen eines Menschen, der nach Aufmerksamkeit giert.
    „Okay, dann haben Sie noch ein geheimes Leben und arbeiten nebenher schwarz als Domina.“
    „Das ist auch kein Geheimnis“, erwiderte sie.
    Er lachte erneut. Seine Augen strahlten. „Okay.“ Er nickte und ging in Richtung Tresen. Auf halbem Weg drehte er sich noch einmal um und fragte: „Möchten Sie auch etwas?“
    Sie versuchte, nicht auf den Ohrring zu starren. „Nein, danke.“
    Lässig gegen den Tresen gelehnt, ein charmantes Grinsen im Gesicht, plauderte er mit der Bedienung, deren Augen funkelten, während sie mit ihm Small Talk hielt.
    Maureen räusperte sich und fing dann an, ihre Papiere auf dem Klemmbrett zu ordnen. Sie schob ihre Brille hoch. Sie wünschte, sie würde sie nicht brauchen. Es war so … bibliothekarinnenmäßig. Sie hatte auch Kontaktlinsen, aber davon bekam sie immer rote Augen.
    Ihre Schwestern und ihre Stiefmutter hatten darauf bestanden, dass sie sich für die dänische Designerbrille entschied und sich einen guten Haarschnitt zulegte, um nicht als totales Klischee herumzulaufen, aber meistens endeten ihre morgendlichen Stylingversuche dann doch in einem schlichten Pferdeschwanz und ohne Make-up. Mit dem Ergebnis, dass sie wie eine Bibliothekarin aussah, die versuchte, nicht wie eine Bibliothekarin auszusehen, was wirklich lächerlich war.
    Sie hatte sich irgendwann damit abgefunden, zu sein, wer sie war, und meistens fühlte sie sich in ihrer Haut auch recht wohl. Sie hatte eine gemütliche Wohnung, zwei Katzen und Unmengen von Büchern. Es war allerdings ein hartes Stück Arbeit gewesen, diese Zufriedenheit zu erlangen. Und wenn jemand wie Eddie Haven daherkam und drohte, sie zu erschüttern, ging Maureen sofort in Verteidigungshaltung.
    Eddie kehrte mit einer Tasse Kaffee für sich und einem Becher heißer Schokolade zurück. „Für Sie“, sagte er. „Ich weiß, Sie wollten nichts, aber ich dachte, ich probier’s mal.“
    „Danke. Woher wussten Sie, dass ich gerne heiße Schokolade trinke?“
    „Wer tut das nicht?“ Er schenkte ihr ein Lächeln, bei dem sie das Gefühl hatte, die einzige Frau auf der Welt zu sein. „Schlagsahne dazu?“
    „Nein“, sagte sie schnell. „Das wäre dann doch ein wenig zu viel des Guten.“ Und schon war ihre Befangenheit wieder da. Die Leute fragten sich vermutlich, was der heiße Typ mit dem Mauerblümchen wollte. Manche Dinge änderten sich einfach nie. Jeder, der sie zusammen sah, würde denken, dass er nur aus einem wie auch
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