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Wehe Dem, Der Boeses Tut

Wehe Dem, Der Boeses Tut

Titel: Wehe Dem, Der Boeses Tut
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zurückzufinden. »Mein Name ist schon seit langer Zeit Adria.«
    »Du weißt es nicht?« Eine Minute lang starrte er wie gebannt in diese großen blauen Augen – Augen so ähnlich jenen anderen, trügerischen, die bis in den Grund seiner Seele zu blicken schienen. Doch dann besann er sich. Wie konnte er auch nur eine Sekunde lang glauben, diese Frau sei möglicherweise London? Erkannte er Betrügerinnen nicht längst auf eine Meile gegen den Wind? Schön, sie war also seiner Stiefmutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Na und? »Meine Schwester ist seit fast zwanzig Jahren tot«, sagte er in ausdruckslosem Ton, so, wie er mit Lügnern und Betrügern zu reden pflegte.
    »Halbschwester.«
    »Egal.«
    Sie schaute sich im Saal um. »Ich wollte nur sehen, ob ich mich an diesen Ort erinnern kann …«
    »London war vier.«
    »Beinahe fünf. Und selbst Vierjährige haben Erinnerungen – vielleicht nur vage Eindrücke, aber dennoch …« Ihr Blick wanderte zu einer Ecke bei den Fenstern. »Dort in der Nische saß die Band und da standen Pflanzen … Bäume in Kübeln, glaube ich.« Sie zog die Augenbrauen zusammen, als versuchte sie, eine flüchtige Erinnerung zu greifen. »Und da war ein großer Brunnen und eine Skulptur aus Eis, ein … ein Pferd, das heißt … ein galoppierendes Pferd, und –«
    »Du hast gründlich recherchiert.«
    Sie presste die Lippen zusammen. »Du glaubst mir nicht.«
    »Du solltest lieber gehen.« Zachary wies mit einer Kopfbewegung zur Tür. »London ist tot. Sie starb vor mehr als zwanzig Jahren. Also Schluss mit dem Theater – verschwinde, geh nach Hause, bevor ich dich vor die Tür setze.«
    »Woher weißt du, dass London tot ist?«
    Seine Kehle schnürte sich zu. Er erinnerte sich mit schmerzlicher Klarheit an die Vorwürfe gegen ihn, daran, wie man mit Fingern auf ihn gezeigt, ihm argwöhnische Blicke zugeworfen hatte. »Es ist mein Ernst. Du solltest jetzt gehen.«
    »Mir ist es auch ernst, Zach.« Sie vergrub die Hände in den Taschen, sah sich noch einmal in dem Saal um und blickte ihm dann in die Augen. »Nur dass du's weißt: Ich gebe nicht so schnell auf.«
    »Vergiss es.«
    »Wer hat hier das Sagen?«
    »Das spielt keine Rolle.« Seine Stimme klang hart, seine Miene drückte rücksichtslose Entschlossenheit aus. »Meinetwegen kannst du mit meinen Geschwistern reden, mit meiner Mutter oder mit den Anwälten, die sich mit dem Nachlass meines Vaters als Finanzgötter aufspielen – keiner von ihnen wird dich auch nur grüßen. Also spar dir die Mühe und vergeude nicht meine Zeit. Ich rate dir, geh einfach nach Hause.«
    »Das hier könnte mein Zuhause sein.«
    »Unsinn.«
    »Schade, dass Katherine nicht mehr lebt.«
    Bei der Erwähnung seiner schönen, viel zu jungen Stiefmutter überlief es Zachary kalt. Die Ähnlichkeit zwischen der Frau, die hier so selbstbewusst vor ihm stand, und der zweiten Ehefrau seines Vaters, Katherine, Kat – der Frau, die ihm jahrelang das Leben zur Hölle gemacht hatte –, war nicht zu übersehen. »Ist das wirklich schade oder doch eher günstig für dich?«, fragte er eisig.
    Sie wurde ein wenig blass.
    »Raus.«
    »Du hast Angst vor mir.«
    »Ich sagte: raus .«
    Sie schaute ihm noch eine Sekunde lang eindringlich in die Augen, dann schritt sie durch die Tür des Ballsaals und die Treppe hinunter. Zachary trat ans Fenster und sah ihr nach, während sie mit langen, zielstrebigen Schritten durch den Regen die Straße entlangging.
    Sie würde wiederkommen. Sie versuchten es immer von Neuem, so lange, bis sie vor der Macht der Danvers' kapitulieren und ihre kühnen Träume, ein wenig vom Geld des alten Herrn an sich zu bringen, aufgeben mussten.
    Auf Nimmerwiedersehen , dachte er, doch als sie um eine Straßenbiegung verschwand, überkamen ihn dunkle Vorahnungen. Plötzlich wusste er mit beängstigender Sicherheit, dass diese hier – diese Hochstaplerin, die sich als London Danvers ausgab – irgendwie anders war als alle bisherigen.

Zweiter Teil
1974
     

2. Kapitel
    H erzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Liebling«, flüsterte Katherine Danvers ihrem Mann ins Ohr, während sie über das glänzend polierte Parkett des Ballsaals tanzten. In einer Nische nahe den Fenstern spielte eine Band »As Time Goes By«, und die Melodie schwebte sanft über der Gästeschar. »Überrascht?«, fragte sie, während sie sich an ihn schmiegte und ihre Füße in den hochhackigen Satinschuhen sich im Rhythmus der Musik bewegten.
    »Nichts, was du
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