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Wehe Dem, Der Boeses Tut

Wehe Dem, Der Boeses Tut

Titel: Wehe Dem, Der Boeses Tut
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würde. Etwas über einsachtzig groß, mit pechschwarzem Haar, bräunlichem Teint und tief liegenden grauen Augen unter dichten Brauen, war er der einzige von Witt Danvers' Söhnen, der seinem Vater nicht ähnlich sah. Er war schmaler gebaut als die übrigen Männer der Familie, und seine Gesichtszüge wirkten wie aus dem Stein der Klippen gemeißelt, die sich über dem Pazifik erhoben. Er war ein schroffer Kerl, zäh wie Leder, mit einem harten Mund, der auf Fotos kaum jemals lächelte. Über dem rechten Ohr hatte er eine Narbe, die durch den Haaransatz verlief, und seine gebrochene Nase zeugte von einem ungestümen Temperament.
    Durch eine Seitentür, die für die Arbeiter geöffnet war, gelangte Adria in das Foyer, wo gerade zwei Männer unter dem Gewicht eines langen, in Folie verpackten Sofas ächzten. Sie hörte Stimmen im Hintergrund, sah Hotelangestellte und Handwerker zwischen dem Speisesaal und der Küche gegenüber der Eingangstür hin und her eilen. Der Geruch von Reinigungsmitteln, Terpentin und Möbelpolitur schlug ihr entgegen und das Kreischen einer Säge mischte sich in das Summen von Industriestaubsaugern.
    Während die Arbeiter das Sofa an einem riesigen Kamin abstellten, blieb Adria im Foyer stehen und sah sich um. Dieses Hotel war einmal das prächtigste in ganz Portland gewesen, ein Versammlungsort für Würdenträger und Stadtväter, an dem Entscheidungen getroffen und Zukunftspläne geschmiedet wurden. Sie hob den Blick zu den kunstvollen Bleiglasfenstern über den Außentüren, die die letzten Strahlen des Tageslichts einfingen und bernsteinfarbene, rosige und blaue Flecken auf den Fliesenboden vor dem Empfangstresen warfen.
    Adria schluckte krampfhaft, doch der Kloß in ihrem Hals wollte nicht verschwinden. Dieses Hotel war ihr Erbe. Ihr Geburtsrecht. Ihre Zukunft.
    Oder nicht?
    Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Entschlossen ging sie auf die breite, geschwungene Treppe zu, die hinauf zur Galerie führte.
    »He, Sie da! Lady, hier ist geschlossen!« Die tiefe Stimme gehörte zu einem kräftigen, grobschlächtigen Mann, der auf einem Gerüst unter dem Treppenabsatz des ersten Stockwerks stand und sich an dem Kronleuchter über dem Empfangstresen zu schaffen machte.
    Adria ignorierte ihn und stieg die mit Teppich ausgelegte Treppe hinauf.
    »Hey, ich rede mit Ihnen!«
    Sie zögerte, eine Hand auf dem Geländer. Ihr Vorhaben versprach nicht einfach zu werden, doch der Elektriker war nur ein unbedeutendes Hindernis. Das erste von vielen. Mit einem entwaffnenden Lächeln drehte sie sich um und straffte die Schultern. »Sind Sie Zachary Danvers?«, fragte sie, obwohl sie die Antwort kannte.
    »Nein, aber …«
    »Sind Sie mit den Danvers' verwandt?«
    »Was soll das?« Der Handwerker sah sie unter seinem Schutzhelm hervor finster an. »Nein, natürlich nicht, aber Sie dürfen da nicht raufgehen!«
    »Ich habe eine Verabredung mit Zachary Danvers«, erklärte sie, kühle Autorität in der Stimme.
    »Eine Verabredung?«, wiederholte der Elektriker skeptisch.
    Sie hielt seinem Blick stand. »Ja, eine Verabredung.«
    »Das ist mir neu. Ich bin sein Vorarbeiter und er hat mir nichts davon gesagt.« Der Mann musterte sie mit Argwohn.
    »Vielleicht hat er es vergessen«, entgegnete Adria und zwang sich zu einem unterkühlten Lächeln. »Aber ich muss mit ihm oder einem anderen Mitglied der Familie Danvers reden.«
    »Er kommt ungefähr in einer halben Stunde zurück«, sagte der Mann widerwillig.
    »Ich werde auf ihn warten. Im Ballsaal.«
    »Hey, ich glaube nicht …«
    Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, eilte Adria die übrigen Treppenstufen hinauf. Der hochflorige Teppich verschluckte das Geräusch ihrer Schritte. Ihr Atem ging flach vor Nervosität.
    »Scheiße«, fluchte der Mann leise, blieb jedoch auf dem Gerüst und setzte seine Arbeit fort. »Verdammte Weiber …«
    Adrias Herz schlug so heftig, dass sie kaum zu atmen vermochte, doch am oberen Treppenabsatz angekommen, wandte sie sich zielstrebig nach links und stieß eine Doppeltür auf. Es war dunkel in dem Raum. Ihre Kehle wurde eng und sie tastete rasch nach dem Lichtschalter.
    Plötzlich tauchten hunderte Miniaturkerzen in Kristalllüstern den gesamten Saal in strahlendes Licht. Ihr stockte der Atem beim Anblick des polierten Eichenbodens, der hohen Bogenfenster und des schwindelerregenden Lichtes von einer Million kleiner Glühbirnen, das sich im Kristall brach.
    Sie spürte einen Kloß im Hals und musste
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