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Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben

Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben

Titel: Wege zu einem humanen, selbstbestimmten Sterben
Autoren: Unknown
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Folgenden werden
ausschließlich Fälle von Personen besprochen, die sich bewusst und in Absprache
mit Angehörigen für den Verzicht auf Essen und Trinken entschieden haben. Sie
wählen einen manchmal schwierigen, aber durchaus gangbaren Weg; hierbei kommt
es entscheidend darauf an, dass der Patient und dessen Pfleger wissen, wie sie
diesen Weg erträglich gestalten können. Die Forschung zeigt, dass dies möglich
ist. Am Kapitelende wird der Verlauf des Sterbens zweier hochbetagter Frauen
beschrieben, die beide nicht an tödlichen Krankheiten litten. Bei einer der
beiden Frauen vollzog er sich würdevoll, bei der anderen jämmerlich. Wenn man
zuvor einen Eindruck von dem Verlauf haben möchte, empfehlen wir, zunächst die
beiden Fallbeispiele zu lesen (Kapitel 2.8.1 und 2.8.2).

2.3 Erkenntnisse aus der Forschung in den
Niederlanden
     
    In den Niederlanden ist
aufgrund eines Gesetzes aus dem Jahr 2002 ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung
mit Medikamenten und Tötung auf Verlangen mit einer Injektion möglich. Auch in
der Schweiz, in Oregon (USA) und in Belgien ist ärztliche Beihilfe zur
Selbsttötung unter bestimmten Bedingungen straffrei. In anderen Ländern ist
ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung und ärztliche Tötung auf Verlangen strafbar
und wird deshalb auch selten von Patienten nachgefragt.
    Patienten in den Niederlanden
entscheiden sich manchmal bewusst für den freiwilligen Verzicht auf Nahrung und
Flüssigkeit (fvnf), nachdem ein
Arzt ihre Bitte um Tötung auf Verlangen oder aktive Sterbehilfe ausgeschlagen
hat. In anderen Ländern wurde noch nicht untersucht, wie häufig Patienten durch fvnf sterben. Bewusster Verzicht
auf Nahrung und Flüssigkeit ist manchmal ein Weg, bei der die Regie über das
eigene Lebensende selbst in die Hand genommen werden kann, auch wenn dies nur
die zweite Wahl ist. Dennoch sollte ein Arzt einbezogen sein, weil
professionelle palliative Pflege wichtig ist.
    Es gibt einen wesentlichen
Unterschied zwischen Tötung auf Verlangen und der ärztlichen palliativen
Therapie beim bewussten Verzicht auf Essen und Trinken. Ein Arzt kann niemals
zur Tötung auf Verlangen verpflichtet werden. Aber ein Arzt hat sehr wohl die
Pflicht, alles zu tun, um Leiden zu lindern, wenn sein Patient die bewusste
Entscheidung getroffen hat, auf Nahrung und Flüssigkeit zu verzichten. Diese
Pflicht besteht durchaus auch dann, wenn der Arzt nicht mit der Entscheidung
des Patienten einverstanden ist.
    Wenn jemand stirbt, nachdem er sieben
oder mehr Tage kaum getrunken hat, ist davon auszugehen, dass die
Austrocknung des Körpers den Tod ausgelöst oder beschleunigt hat. Solch ein
bewusst herbeigeführter Tod wird von manchen mit ‚Selbsttötung’ gleichgesetzt.
Dennoch wird diese Art, das Sterben zu beschleunigen, von der Person selbst und
von ihren Angehörigen eher als natürlicher Sterbeprozess erfahren. Auch Ärzte
bezeichnen ihn oft als ‚natürlichen Tod’, selbst wenn der Verstorbene nicht an
einer tödlichen Krankheit gelitten hat.
    Jedes Jahr entscheiden sich in
den Niederlanden ca. 2.800 Menschen, ihr Sterben durch bewussten Verzicht auf
Nahrung und Flüssigkeit zu beschleunigen oder herbeizuführen. 2 Das Leben in dieser Art, in Eigenregie zu beenden,
kommt in genauso vielen Fällen vor wie ärztliche Tötung auf Verlangen. 13 In anderen Ländern
existiert keine Statistik darüber, wie viele Patienten ihr Sterben durch
bewussten Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit beschleunigt haben.
     
    Man kann die 2.800 Verstorbenen
in drei Gruppen einteilen, die sich darin unterscheiden, ob eine (tödliche)
Krankheit vorlag oder nicht.
    - Etwa 30% der 2.800 Personen
waren nicht ernsthaft erkrankt. Sie litten an Gebrechen wie Blindheit oder
Taubheit, konnten nicht mehr laufen oder hatten unbehandelbare Schmerzen.
    - Ebenfalls 30% litten an einer
schweren psychischen und/oder somatischen, oft neurologischen Krankheit.
    - Bei 40% der Betroffenen lag
eine Krebs-Diagnose vor; einige befanden sich noch in einer frühen Phase der
Krankheit, wünschten aber keine (weitere) Behandlung.
     
    Die große Mehrheit derer, die
durch Verzicht auf Essen und Trinken starben, war älter als 60 Jahre. Da in
fortgeschrittenem Alter das Hunger- und Durstgefühl abnimmt, könnte älteren
Menschen dieser Weg deshalb leichter fallen. Von Angehörigen wurde das Sterben
bei Dreiviertel dieser Personengruppe als würdevoll beschrieben. 14
    Für den Arzt ist es eine
Entlastung, wenn der Patient nicht darum bittet, ihn zu
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