Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weg mit den Pillen

Weg mit den Pillen

Titel: Weg mit den Pillen
Autoren: Harald Walach
Vom Netzwerk:
der Behandlungssatz pro Patient an den Mayo-Kliniken wesentlich günstiger als in McAllen ist, obwohl die medizinische Versorgung dort intensiver und besser ist. Die Mayo-Ärzte wenden so viel Zeit für ihre Patienten auf, wie auch immer nötig ist – manchmal viele Stunden für einen Patienten. Oft tun sie das sogar zu zweit, wenn einer allein sich nicht ausreichend kompetent fühlt. Der Kontakt zwischen den Kollegen ist dort extrem eng, man kann unkompliziert jemand anderen zu Rate ziehen. Entscheidende diagnostische Prozeduren werden nur einmal gemacht.
    Was lernen wir daraus? Ein System wie unseres, das Interventionen bezahlt und nicht Zeit, erhält, was es bezahlt: eine Fülle unnützer und wenig konstruktiver Interventionen, die zusammenhanglos
nebeneinanderstehen und keine bessere Gesundheit, sondern nur höhere Kosten produzieren. Wer profitiert? Diejenigen, die diese Interventionen bereitstellen. Die Pharmaindustrie, die Medizingerätehersteller, die Klinikbetreiber. Die Alternative sieht folgendermaßen aus: Wir müssen Zeit finanzieren und es den Akteuren selbst überlassen, welche Interventionen sie für nötig halten. Wir müssen vor allem ein viel breiteres Angebot zur Gesunderhaltung bieten, als wir das im Moment tun. Wir müssen einen Gesundheitserhaltungssektor entwickeln, der nach völlig anderen Grundsätzen finanziert wird und der völlig anders aufgebaut ist als unser jetziges Krankheitswesen.
    Modell eines neuen Gesundheitserhaltungssektors
    Das Finanzierungsmodell eines solchen neu zu entwickelnden Gesundheitserhaltungssektors würde sich an die bereits bestehenden Hausarztmodelle anlehnen. Ein solches gibt es zum Beispiel schon als erfolgreiches Modell im Kinzigtal im Schwarzwald. 137 Der Unterschied zu bestehenden Hausarztmodellen wäre, dass hier auch der Vorgabe- und Verordnungsrahmen wegfallen würde, der im Moment noch existiert, und dass die Akteure in einem solchen Gesundheitserhaltungssektor nicht allein Ärzte wären, sondern multidisziplinäre Gruppen, die sich selbst organisieren. Der Unterschied wäre auch der, dass der gesamte primäre Versorgungssektor so organisiert wäre. Natürlich würde man den Übergang fließend gestalten müssen und vielleicht erst einige solcher Zentren zur Erprobung aufbauen, ihr Funktionieren studieren und sie optimieren. Aber die Zielvorstellung wäre, dass der gesamte Primärversorgungssektor zu einem Gesundheitserhaltungssektor umgestaltet würde. Das Ziel dieses Sektors wäre wie gesagt, zunächst die Gesundheit zu erhalten, Menschen in Krisen und mit Problemen zu begleiten und erst dann medizinisch zu handeln, wenn es notwendig ist. Wenn Probleme unbeherrschbar werden oder wenn ernsthafte Probleme auftauchen, würden Patienten zur Abklärung oder Behandlung in den sekundären Sektor weiterverwiesen werden.
Aber dies wäre seltener als heute der Fall, weil die Gefahr von Entgleisungen geringer wäre.
    Denn durch ein umfassendes Bildungs- und Ausbildungsprogramm, beginnend in der Schule, würden Menschen in dem Selbstverständnis aufwachsen, dass sie keine passiven Maschinen sind, die »kaputtgehen«, sondern verantwortlich Handelnde, die sich um die Erhaltung ihrer Gesundheit selbst kümmern. Lebensstilentscheidungen würden eher so ausfallen, dass die großen Folgeprobleme seltener würden. Solche Bürger würden auch die Gesellschaft im Laufe der Zeit so prägen und umgestalten, dass die lebensfeindlichen Elemente weniger und die lebensfördernden zunähmen. Sie würden sich vielleicht immer häufiger weigern, ausbeutende Arbeitsstrukturen zu akzeptieren. Sie würden sich wohl auch zunehmend wehren, wenn an ihrem Arbeitsplatz soziale Kälte und unmäßiger Druck herrschte. Sie würden auch dazu beitragen, dass die Gesellschaft als ganze mehr dem Leben und der Gesundheit dient und weniger dem Profit einzelner.
    Daher kann man davon ausgehen, dass langfristig die richtig schweren und teuren Problemfälle abnehmen würden. Es ist nicht ausgemacht, dass wir alle durchs Älterwerden auch immer kränker werden. Das ist im Moment so, weil wir mit einem falschen Verständnis von Leben und Krankheit durch die Welt laufen. Der natürliche Prozess wäre, dass wir ohne große gesundheitliche Einbußen ein genetisch bestimmtes Alter erreichen und dann einfach an Altersschwäche sterben. Es gibt eigentlich keinen wirklich unausweichlichen Grund, weswegen das nicht auch in der Regel so sein sollte. Dass wir unterwegs all die vielen und schweren chronischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher