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Weg damit

Titel: Weg damit
Autoren: Rita Pohle
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Papieren gefüllt. Verbandsmaterial lag lose verstreut auf den Brettern, und der Schreibtisch sah aus, als hätte jemand den Papierkorb darauf ausgeleert. An mangelndem Stauraum konnte es jedoch nicht liegen: Die Regale hätten genügend Platz hergegeben; doch sie waren halb leer. Mein Vertrauen in ärztliches Können schwand langsam. Wie sollte ich von jemandem, der seine Räumlichkeiten, seine Umgebung, alle Dinge, mit denen er sich umgibt, und somit seine Patienten derart missachtet, eine einwandfreie Arbeit erwarten? Mein Misstrauen gegenüber der immerhin erfreulichen Diagnose der Ärztin war naturgemäß groß.
    Räume sind ein Spiegel der Seele. Unser Inneres tritt in unseren Räumen durch die Einrichtung, die Möbel, Farben, die Arrangements zu Tage. Wie wir mit der Umgebung umgehen, ob sie uns wichtig ist oder nicht, sagt etwas über uns selbst aus. Räume von Menschen mit großen psychischen Problemen können wie in einen Nebel gehüllt erscheinen. Die Farben sind gräulich, das Licht verblasst. Spiegel sehen aus wie beschlagen. Andere Menschen schaffen es, aus jeder noch so schönen, hellen Wohnung im Nu eine »Kellerwohnung« zu machen. Die Atmosphäre wirkt trotz neuer Möbel traurig und trostlos, die Luft ist muffig und abgestanden.
    So wundert es nicht, dass bei Menschen, die sich nicht von ihrem Gerümpel trennen können, oft Aussagen wie »ich fühle mich wie festgefahren, nichts bewegt sich« zu hören sind. Sie stecken sogar bildlich in altem Krempel fest. Der äußerliche Krempel wiederum lebt tagtäglich als ihr schlechtes Gewissen neben ihnen. »Ja, ich weiß, ich müsste dringend …«: Sie tun es aber nicht. Wenn solche Zeitgenossen dann ein Stück Papier wegwerfen, haben sie das Gefühl, unendlich viel geleistet und entsorgt zu haben.

Die Zeit ist reif
    Wenn man seine äußere Welt aufräumt, kommt auch die innere in Ordnung. In einem Haufen Gerümpel findet man nichts: Man sucht und verbraucht seine Energien damit. Kein Wunder, dass das als »Orientierungslosigkeit« nach außen dringt: »Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht.« Auch kann ein Gefühl der Erschöpfung oder Resignation dieses äußere Chaos widerspiegeln: »Alles strengt mich total an.« Kein Wunder, wenn man sich Tag für Tag durch diese Berge wühlen muss, um irgendetwas zu finden und immer dieses »Zuviel« vor Augen hat. Manche würden ja gern etwas wegwerfen, können sich aber nicht entscheiden. Typisch hierfür ist das Hin- und Herräumen: Etwas fliegt in den Müllsack, wird aber dann wieder hervorgeholt.
    Menschen, die sich schwer entscheiden können, werfen meist auch wenig weg. Sie haben dann immer das Gefühl, etwas falsch zu machen, und trauen ihrem eigenen Gespür nicht. Eine Entscheidung für das eine ist für sie immer eine Entscheidung gegen das andere. Der innere Konflikt, das Hin- und Hergerissensein, wird bei diesen Menschen oft schon deutlich, wenn man mit ihnen essen geht. Schon die Wahl des Gerichts kann zur mittleren Krise werden.
    Wenn mindestens eine der folgenden Aussagen auf Sie zutrifft, sind auch Sie absolut reif für ein Space-Clearing:
    • Ich habe das Gefühl, auf der Stelle zu treten.
    • Alles in meinem Leben scheint festgefahren, nichts bewegt sich.
    • Ich arbeite und arbeite, und nichts kommt dabei heraus.
    • Ich weiß manchmal nicht, wo mir der Kopf steht.
    • Alles ist mir irgendwie zu viel, es wächst mir über den Kopf.
    • Ich habe oft das Gefühl, dass ich etwas nicht schaffe.
    • Der Alltag ist so verdammt anstrengend.
    • Ich komme gar nicht mehr dazu zu agieren, ich reagiere nur noch.
    • Die Zeit rennt mir davon.
Platz für Neues durch das Loslassen von Altem
    Die Süddeutsche Zeitung meldete am 13. Februar 2001, dass der britische Installationskünstler Michael Lany im Begriff sei, seine gesamte Habe zu zerstören, um den Konsumterror der Gesellschaft anzuprangern. In einem leeren Geschäft in der Oxford Street jagte er seinen Besitz vor den Augen der Öffentlichkeit durch den Reißwolf oder zersägte ihn. Dafür hatte er eine Liste seiner gesamten Habe angelegt und war insgesamt auf 7006 Gegenstände gekommen, von der Socke bis zum Auto. Als die Aktion vorüber war, besaß Landy neben der Kleidung, die er auf dem Leibe trug, nur noch seine Katze, die er gnädigerweise verschont hatte.
    Entrümpeln ist für die meisten von uns keine Performance, sondern ein schmerzhafter Prozess. Alle möglichen Ausreden werden gesucht, um sich vor dieser Aufgabe zu drücken. Wenn ich
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