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Weck mich am Arsch!

Weck mich am Arsch!

Titel: Weck mich am Arsch!
Autoren: Ralf Prestenbach
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leben wir ja nicht im Auftrag der Deutschen Bahn. Und was sollten meine Stieftöchter in der Schule denn auch als Ausrede für ihr Zuspätkommen angeben? »Sorry, unsere verschlafenen Eltern haben das Bad besetzt?« Dass das nicht geht, leuchtet sogar mir ein. Ich werde es also tun. Ich werde es nicht mehr herauszögern. Ich werde unverzüglich aufstehen. Jetzt sofort. Man könnte auch sagen direkt, ohne Umschweife, ohne langes Hin und Her. Jetzt. Volle Konzentration und Action. Was für eine Qual!
    Okay, ab ins Badezimmer, das sich nach meiner spärlichen Erinnerung irgendwo in der Nähe unseres Schlafzimmers befindet. Mit halb geöffneten Augen manövriere ich meinen schlaftrunkenen Körper um alle Hindernisse, finde die Tür zum Bad und gönne mir erst einmal ein Päuschen auf der Toilette. Dann folgt das nächste schwierige Unterfangen eines zu früh begonnenen Tages: die Menschwerdung. Ein scheuer Blick in den Spiegel sorgt für Gewissheit. Ich habe mich auch letzte Nacht in dieses Monster mit zerzausten Haaren, kleinen verklebten Augen und schlaff herunterhängender Gesichtsmuskulatur verwandelt. Kaltblütig drehe ich den Wasserhahn Richtung kleines blaues Zeichen, halte todesmutig beide Hände in den Strahl und klatsche mir mit zusammengebissenen Zähnen das kalte Nass ins Gesicht – und siehe: Die Welt wird klarer. Nicht viel, aber immerhin. Nun gilt es, dem Monster den Atem zu rauben. Und zwar mithilfe einer der größten Errungenschaften der modernen Gesellschaft: der elektrischen Zahnbürste.
    Während es in meinem Mund summt und schäumt und meine Augen bei diesem monotonen Geräusch gleich wieder zuzufallen drohen, frage ich mich regelmäßig, welcher Wahnsinnige sich eigentlich das Sprichwort mit dem frühen Vogel ausgedacht hat. Wie kann man einen Vogel ernsthaft mit einem Menschen vergleichen? Ein Vogel sieht am frühen Morgen so aus, wie am Vorabend. Kein Gnies in den Augen, kein zerzaustes Haar oder besser gesagt Gefieder. Mundgeruch hat er auch nicht, zumindest keinen, der schlimmer ist als der übliche Geruch vom Würmerfressen und der deswegen irgendwie beseitigt werden müsste. Und schlafen Vögel nicht sowieso im Sitzen? Und fliegen können diese Viecher auch. Das soll mir der Urheber dieses Spruches erst einmal vormachen. Ein Vogel ist mit einem Menschen vergleichbar wie ein Hund mit einem Karpfen. Was soll das also mit dem Sprichwort? Und überhaupt ist dieses Sprichwort absolut einseitig und willkürlich. Denn hat schon mal jemand über den Wurm in diesem Spruch nachgedacht? Der muss ja auch als einer der Ersten unterwegs sein und das zahlt sich für ihn nicht wirklich aus, oder!? Was gibt den Frühaufstehern dieser Welt die tumbe Zuversicht, zu den frühen Vögeln statt zu den frühen Würmern zu gehören? Ich für meinen Teil füh le mich morgens eher wie ein Wurm denn wie ein Vogel. Daran ändert auch die gerade zuende gebrachte morgendliche Toilette nicht viel. Mein Körper fühlt sich immer noch so an, als wäre er über Nacht um Jahrzehnte gealtert. Aber er gehorcht bereits wieder größtenteils meinen Kommandos. Nun wird es endlich Zeit, sich den Drogen zu widmen.
    Jeder Mensch hat seine Laster, ich habe gleich mehrere. Ich achte aber genau darauf, dass keines dieser Laster meine Gesundheit ruiniert und dadurch meine Lebensqualität mindert. Beim Kaffee fällt mir das zugegebenermaßen schwer. Ich weiß mittlerweile genau, dass mein Magen im wahrsten Sinne des Wortes sauer ist, wenn ich ihn schon am frühen Morgen mit edlem Heißgetränk fülle. Allein, mir ist in meinem ganzen Leben noch keine vergleichbare legale Substanz untergekommen, die bei mir eine annähernd ähnliche Wirkung erzielt. Tee mag bei einigen Menschen dieselbe Wirkung haben, ich halte das jedoch für einen Placeboeffekt. Ich benutze Tee manchmal, um meinen verstimmten Magen etwas zu beruhigen, bevor ich mich mit einem anständigen Kaffee in Schwung bringe.
    Doch Kaffee ist nicht gleich Kaffee. Bohne, Röstung und Brühverfahren machen jede Tasse zu einem einzigartigen Erlebnis. Mein Favorit ist der Espresso einer bestimmten italienischen Manufaktur. Eine kleine Tasse mit Riesenwirkung auf mein gesamtes System, in etwa so, als würde man bei einem Rennwagen den Turbo anschalten. Obwohl ich mich am frühen Morgen zugegebenermaßen eher wie ein lahmer Oldtimer denn
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