Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
Vom Netzwerk:
Lebensmittelvergiftung darniederlag. Sarah Trumperys Zofe gab diskret den Reisewecker zurück, den die alte Dame »versehentlich« von den Hochzeitsgeschenken hatte mitgehen lassen. (Diese Marotte von ihr war allgemein bekannt, und die Detektive waren angewiesen, eine Szene beim Empfang zu vermeiden. Sie wurde neuerdings nicht mehr oft zu Hochzeiten eingeladen. Wenn doch, wurden die gestohlenen Geschenke stets noch am selben Abend oder am folgenden [17] Tag zurückgegeben.) Die Brautjungfern trafen sich am Abend zum Essen und ergingen sich in angeregten Spekulationen über die Intimitäten der Flitterwochen, wobei die Wetten drei zu zwei standen, dass der Vollzug nicht vorweggenommen worden war. Der Great Western Express ratterte durch die regennassen englischen Grafschaften. Tom und Angela saßen trübsinnig im Erster-Klasse-Raucherabteil und besprachen den Tag.
    »Wie schön, dass keiner von uns zu spät dran war.«
    »Mutter war so was von nervös…«
    »Ich habe John gar nicht gesehen. Du?«
    »Er war da. Er hat sich im Flur von uns verabschiedet.«
    »Ach ja… Ich hoffe, sie haben alles zusammengepackt.«
    »Was für Bücher hast du mit?«
    Eine durch und durch normale, ereignislose Hochzeit.
    Nach einer Weile sagte Tom: »Irgendwie ist es wahrscheinlich nicht besonders unternehmungslustig von uns, dass wir einfach nach Devon in Tante Marthas Haus fahren. Weißt du noch, wie die Lockwoods nach Marokko gefahren sind und von Banditen gefangen genommen wurden?«
    [18] »Und die Randalls waren in Norwegen zehn Tage lang eingeschneit.«
    »Wir werden in Devon nicht viele Abenteuer erleben, fürchte ich.«
    »Na ja, Tom, um Abenteuer zu erleben, haben wir eigentlich nicht geheiratet, oder?«
    Und wie es sich fügte, nahmen die Flitterwochen von dem Moment an einen merkwürdigen Verlauf.
    II
    »Weißt du, ob wir umsteigen müssen?«
    »Ich glaube, ja. Ich habe vergessen zu fragen. Peter hat die Fahrkarten besorgt. Ich werde in Exeter aussteigen und mich erkundigen.«
    Der Zug fuhr in den Bahnhof ein.
    »Bin gleich wieder da«, sagte Tom und schloss hinter sich die Tür, damit die Kälte nicht hereinkam. Er ging den Bahnsteig entlang, kaufte eine westenglische Abendzeitung, erfuhr, dass sie nicht umsteigen mussten, und wollte gerade zu seinem Waggon zurückkehren, als eine Hand ihn am Arm fasste und eine Stimme sagte:
    »Hallo, Watch, altes Haus! Kennst du mich noch?« Und mit etwas Mühe erkannte er das [19] grinsende Gesicht eines alten Schulkameraden. »Hab gehört, du hast gerade geheiratet. Herzlichen Glückwunsch. Wollte dir eigentlich schreiben. Toller Zufall, dich einfach so zu treffen. Komm, lass uns einen trinken gehen.«
    »Würde ich gern. Aber ich muss zum Zug zurück.«
    »Massig Zeit, Mensch. Der steht hier zwölf Minuten. Einer muss drin sein.«
    Während er sein Gedächtnis weiter nach dem Namen seines alten Bekannten durchforschte, ging Tom mit ihm zum Bahnhofsausschank.
    »Ich wohne fünfzehn Meilen außerhalb, weißt du. Bin extra wegen dem Zug hergefahren. Erwarte Viehfutter aus London. Nichts davon zu sehen… Na, auf dein Wohl!«
    Sie tranken zwei Glas Whisky – sehr wohltuend nach der kalten Zugfahrt. Dann sagte Tom:
    »So, war nett, dich zu treffen. Aber ich muss jetzt zum Zug zurück. Komm mit, ich stell dich meiner Frau vor.«
    Doch als sie zum Bahnsteig kamen, war der Zug fort.
    »So was aber auch. Verflixte Geschichte. Was willst du jetzt machen? Heute Abend fährt kein Zug mehr. Weißt du was, am besten übernachtest du bei mir und fährst morgen früh [20] weiter. Wir können deiner Frau ja kabeln, wo du steckst.«
    »Angela wird doch nichts passieren?«
    »Ach was, Gott bewahre! Was soll einem in England schon passieren? Außerdem kannst du eh nichts machen. Gib mir ihre Adresse, und ich schicke ihr gleich ein Telegramm und sage ihr, wo du bist. Steig schon mal ins Auto, und warte auf mich.«
    Am nächsten Morgen wachte Tom mit einem leicht unbehaglichen Gefühl auf. Er wälzte sich im Bett herum und betrachtete mit schläfrigem Blick das ungewohnte Mobiliar des Zimmers. Dann erinnerte er sich. Natürlich, er war verheiratet. Und Angela war mit dem Zug weitergefahren, und er hatte sich im Dunkeln viele Meilen zum Haus eines alten Bekannten mitnehmen lassen, an dessen Namen er sich nicht erinnern konnte. Bei ihrem Eintreffen war es Zeit zum Abendessen gewesen. Sie hatten Burgunder und Portwein und Brandy getrunken. Tatsächlich hatten sie ziemlich viel getrunken. Sie hatten sich an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher