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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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Church College auf einem geliehenen Jagdpferd den zweiten Platz belegt, mit den Jungs vom Bullingdon Club Möbel zertrümmert, sich nach Bällen [13] in London bei Tagesanbruch durchs Fenster ins Zimmer gestohlen und sich mit jungen Männern, die reicher waren als er, eine schmuddelige, aber teure Studentenbude in der High Street geteilt hatte.
    Als eines der begehrten Mädchen ihres Jahrgangs war Angela seinerzeit häufig zu Gast in Oxford und bei den Familien gewesen, die Tom während der Trimesterferien besuchte, und je mehr ihn das trostlose Einerlei der Jahre in seiner Buchprüfungskanzlei ernüchterte und deprimierte, umso mehr erschien sie ihm als eines der wenigen erfreulichen Überbleibsel aus seiner glorreichen Vergangenheit. Er ging immer noch hin und wieder aus, denn ein ungebundener junger Mann ist in London nie ganz ohne Wert, doch die späten Abendgesellschaften, zu denen er sich schleppte, ermattet von der Arbeit des Tages und nicht im Bilde über die Themen, an denen die Debütantinnen ihn zu interessieren versuchten, verdeutlichten ihm nur die sich stetig verbreiternde Kluft zwischen ihm und seinen früheren Freunden.
    Angela war (wie gar nicht genug betont werden kann) ein durch und durch nettes Mädchen und verhielt sich immer reizend zu ihm, und er erwiderte ihr Interesse dankbar. Sie war jedoch [14] ein Teil seiner Vergangenheit, nicht seiner Zukunft. Seine Zuneigung war sentimental, aber ohne Hintergedanken. Sie war ein Stück seiner unwiederbringlichen Jugend; nichts lag ihm ferner, als sie sich als mögliche Gefährtin im Alter vorzustellen. Insofern empfand er ihren Vorschlag zu heiraten als eine Überraschung, die ihm keineswegs angenehm war.
    Sie hatten eine besonders überlaufene und langweilige Tanzgesellschaft verlassen und aßen in einem Nachtclub geräucherten Hering. Sie waren in der vertrauten und leicht zärtlichen Stimmung, die sich zwischen ihnen immer einstellte, als Angela mit sanfter Stimme sagte:
    »Du bist immer so viel netter zu mir als alle andern, Tom. Warum, frage ich mich?« Und ehe er es verhindern konnte – der Tag im Büro war ungewöhnlich aufreibend und der Tanzabend unsäglich gewesen –, war sie mit der Frage herausgeplatzt.
    »Ja, gewiss doch«, hatte er gestammelt, »ich wüsste nicht, was mir lieber wäre, Angielein. Ich meine, klar, du weißt ja, dass ich schon immer verrückt nach dir war… Aber das Problem ist, dass ich es mir einfach nicht leisten kann zu heiraten. Da ist auf Jahre hinaus überhaupt nicht dran zu denken.«
    [15] »Aber ich glaube nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, mit dir zusammen arm zu sein, Tom. Wir kennen uns so gut. Uns würde das leichtfallen.«
    Und ehe Tom wusste, ob es ihm passte oder nicht, war die Verlobung bereits bekanntgegeben worden.
    Er verdiente achthundert im Jahr; Angela hatte zweihundert. Bei beiden war irgendwann »mehr drin«. Sie standen gar nicht so schlecht da, wenn sie nur vernünftig waren und keine Kinder kriegten. Er würde seine gelegentlichen Jagdpartien aufgeben müssen; sie musste ihr Dienstmädchen aufgeben. Auf dieser Basis beidseitigen Verzichts planten sie ihre Zukunft.
    Am Tag der Hochzeit regnete es in Strömen, und nur die ganz unerschrockenen Gemeindemitglieder von St. Margaret trauten sich heraus, um sich die triste Kolonne der Gäste anzusehen, die aus den triefenden Wagen sprangen und unter der Überdachung in die Kirche stürzten. Hinterher gab es einen Empfang bei Angela zu Hause in Egerton Gardens. Um halb fünf bestieg das junge Paar in Paddington einen Zug nach Westengland. Der blaue Teppich und die gestreifte Markise wurden aufgerollt und zwischen Kerzenstummeln und Betkissen im Lagerraum der Kirche [16] weggesperrt. Das Licht in den Gängen wurde ausgemacht und die Türen abgeschlossen und verriegelt. Die Blumen und Zweige wurden aufgestapelt, um später in einem Hospital für unheilbar Kranke verteilt zu werden, das Mrs. Watch am Herzen lag. Mrs. Trench-Troubridges Sekretär machte sich daran, silberweiße Kartons mit Hochzeitstorte an Diener und Pächter auf dem Lande zu verschicken. Einer der Zeremonienmeister begab sich eilig nach Covent Garden, um seinen Cut zum Herrenausstatter zurückzubringen, bei dem er ihn geliehen hatte. Ein Arzt wurde zu dem kleinen Neffen des Bräutigams gerufen, der als Page bei der Zeremonie mit seinen unverblümten Bemerkungen erhebliche Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, jetzt aber mit hohem Fieber und allerlei beunruhigenden Symptomen von
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