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Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
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wirklich passiert war.
    »Es wurde so schlimm, daß ich es nicht mehr ertragen konnte. Das Zusammensein mit Carla machte mich einfach fertig. Sie war überhaupt nicht mehr da. Nichts als ein Körper und Reflexe.« Er spürte Ainsleys Gedankenverlorenheit und sah darin ein Zeichen von Abwehr. »Wir können auch umkehren, wenn du mit einem wie mir nicht allein sein willst.«
    Sie tat überrascht. »Red keinen Blödsinn! Ich habe nur überlegt, warum ich sofort auf dich abgefahren bin.«
    »Ach so.« Er zuckte die Achseln und grinste schwach. »Vielleicht war es Liebe.«
    »Liebe!« Sie gab dem Wort einen sarkastischen Klang. »Nein, es muß was viel Wichtigeres sein.«
     
    An einem Lagerhaus bogen sie auf einen staubroten Weg ab und kamen zu einem unkrautüberwucherten Hügel mit einem verlassenen Haus. Die Holzbretter waren grau verwittert und hier und da verkohlt. »Hier bin ich aufgewachsen«, erklärte Ainsley, als sie die Verandastufen hinaufgingen. »Nach dem Tod meiner Mutter ließ Dad sich vollaufen und versuchte den Schuppen anzuzünden. Aber zum ersten Mal kam die Freiwillige Feuerwehr rechtzeitig und löschte die Flammen.« Sie griff durch das halbverrostete Schutzgitter und öffnete die Tür. »Im Sommer lebe ich hier draußen. Ich schätze, mir bleibt heuer noch ein Monat, ehe es richtig kalt wird.«
    Im Innern spitzte Unkraut aus den Ritzen. Goldgrüne Lichtstreifen fielen durch Löcher in den Wänden und sammelten sich zu hellen Pfützen auf dem Boden. Ein Geflecht aus Federn und Zweigen in einer Ecke, ein kaputtes Nest. Die Dachbalken verschwanden hinter Spinnennetzen, und ein paar bräunliche Fetzen kamen vom Dachfirst heruntergesegelt, als häute sich da droben ein fremdes Geschöpf. Bilderrahmen umschlossen schimmlige Gemälde. Hayes bildete sich ein, noch einen schwachen Brandgeruch wahrzunehmen, und ihm kam der Gedanke, daß die kühle graue Luft ein lebendiges Wesen war, das seine Form all den Nischen und Winkeln angepaßt hatte.
    »Setz dich!« sagte Ainsley und deutete auf den Schlafsack in einer Ecke des Wohnzimmers. »Ich bin gleich wieder da.«
    Hayes kauerte sich nieder, zog die Knie bis ans Kinn und starrte ein Unkrautgewächs an. Es erinnerte ihn an Ainsley. Gedieh in einem Lichtstrahl mitten in der Finsternis, allem Anschein nach eine ganz gewöhnliche Pflanze, bis man sie näher betrachtete. Wenn man den schlanken, robusten Stiel sah, die feingezähnten Blätter und den weißen Haarpelz auf den Stengeln, dann war man verblüfft von ihrer Kraft und Schönheit. Er schloß die Augen, atmete tief ein und hielt die Luft an. Hier war sie ganz sicher am falschen Platz. Ein Mädchen mit ihrem Aussehen und ihrer Unabhängigkeit sollte in New York oder sonstwo sein und sich eine Karriere aufbauen. Er atmete stoßweise aus und öffnete die Augen. Ainsley stand mit einem Glas Orangensaft in der Tür.
    »Ich habe eine Quelle draußen, die alles schön kühl hält«, sagte sie und bot ihm das Glas an. »Willst du auch einen Schluck?«
    »Nein, danke.«
    Sie stellte das Glas ab, richtete sich auf und begann nachdenklich an ihrem obersten Hemdknopf zu nesteln. Erst als sie ihn geöffnet hatte, begriff Hayes, was sie vorhatte.
    »Warte!« sagte er und spürte die Übelkeit, die kribblige Erregung, die ihn immer überfallen hatte, ehe er zu Carla ging.
    »Das geht in Ordnung«, sagte sie. »Ehrenwort.« Sie öffnete den letzten Knopf, und ihr Hemd gab einen Streifen helle Haut frei.
    Hayes würgte an seiner Übelkeit. Hitze breitete sich in seinem Innern aus. »Ich kann nicht.«
    Schatten schienen sich in ihren Augen zu sammeln. Sie streifte das Hemd ab, ließ es fallen. Ihr Busen war größer, als er gedacht hatte, mehr als nur apfelgroß, mit festen, aufgerichteten Spitzen. Unter der Haut zeichnete sich ein feines bläuliches Adernetz ab, das von den Hügeln der Brüste ausging und in der Senke ihrer Kehle verschwand. Sie war überhaupt nicht knochig, nur schlank und sehr glatt.
    Irgendwo drehte ein Insekt durch, klatschte dumpf gegen Wände, sein Surren ein schillerndes Geräusch, das sich in Hayes’ Schläfen festsetzte, das Surren eines reinen, eines verrückten Gedanken.
    »Ich bin nicht diese Carla.« Ainsley kickte ihre Ballerinas beiseite. »Und das hier ist ein guter Platz. Glaub mir, es wird bestimmt schön …« Sie schlängelte sich aus ihren Jeans und redete die ganze Zeit auf ihn ein, leise, sanft, als müßte sie ein störrisches Pferd beruhigen. Als sie die Daumen unter den Gummirand
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