Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
Tod meiner Mutter in Costa Rica und kommt nur selten heim.« Eine Kellnerin fragte nach ihren Wünschen, und sie sagte, daß sie schon gegessen habe. »Was arbeiten Sie?«
    »Im Moment gar nichts … aber ich hab’ mal Musik gemacht. Rock ’n’ Roll.«
    »Ja? Dann möchten Sie sicher mal einen Blick auf meine Musikmaschinen werfen.«
    »Was sind das für Dinger?«
    »Ich vergesse immer, wie sie heißen, aber es sind Sammelstücke. Ziemlich alt. Dad hat sie zusammengetragen. Sie stehen jetzt im Laden. Wollen Sie mitkommen?«
    »Okay«, sagte Hayes.
    Sie erhob sich, und die Kellnerin fragte: »Machst du den Laden auf, Ainsley?«
    »Nein, ich bin gleich wieder zurück.« Sie sah Hayes von der Seite an, als sie das Restaurant verließen. »Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Hayes«, erwiderte er, ohne nachzudenken, und hätte sich gleich darauf ohrfeigen können.
    Sie mußte sich bücken, um die Ladentür aufzusperren, und er stellte fest, daß sie einen knackigen Hintern hatte. Vielleicht eine Spur zu rund, verglichen mit dem Rest, aber nicht schlecht. »So, bitte sehr!« sagte sie und winkte ihn herein. Auch ihre Augen waren hübsch. Dunkelbraun, mit Goldpunkten in der Iris.
    In der Mitte des Ladens standen Glasvitrinen. Die Maschinen waren an der Wand entlang aufgereiht. Insgesamt zwölf. Riesige Dinger, so hoch wie Kleiderschränke, aber viel breiter. In die wurmstichigen Fassaden waren Reliefs geschnitzt, Engel, amerikanische Flaggen und Szenen aus der Pionierzeit. Münzschlitze an den Seiten und in der Mitte die Instrumente – matte Saxophone, Trompeten, Posaunen, Tubas. Farblose Trommeln, zerbeulte Becken, die Geigen und Cellos verzogen, Miniaturtasten und gesprungene Holzblasinstrumente. Hayes blieb vor dem größten Automaten stehen und spürte, wie ihm Kälte entgegenwehte, als führten die Schatten im Hintergrund zu einer bösen Leere. Die Geigen waren in Reih und Glied angeordnet, Metallstäbe endeten in weißen Handschuhen, die sich um die Bogen krümmten. Plastikschläuche saßen auf den Mundstücken der Blasinstrumente. Metalldrähte verästelten sich, führten zu den Klappen von drei Saxophonen, drei Klarinetten und einer Trompete. Klauen umklammerten die Trommelstöcke, und die fleischfarbene Hand einer Puppe lag auf den Cello-Saiten. Hayes spürte Unbehagen, als er das Ding betrachtete.
    … Hayes …
    Es war weniger eine Stimme als ein Musikhauch, der seinen Namen seufzte. Er erstarrte. Gänsehaut kroch ihm zwischen den Schultern hoch.
    … ich kann dir helfen, Hayes, wenn du mich spielst …
    Die Stimme war echt, eine Schwingung in der Luft. »Wer bist du?« fragte er.
    »Was?« fragte Ainsley.
    »Nichts … ich habe laut gedacht.«
    … nicht mehr als zehn Cents, eine schäbige Münze …
    Ainsley war ein paar Schritte vorausgegangen und musterte eine der anderen Maschinen. »Wer bist du?« fragte Hayes wieder.
    Professor Sombra, Meister der Schwarzen Musik, der okkulten Rhythmen und geheimnisvollen Klänge. Spiel mich, Hayes, und ich befreie dich von deinen bösen Geistern …
    »Gefallen sie Ihnen?« fragte Ainsley und trat neben ihn.
    »Woher hat Ihr alter Herr die Dinger?«
    »Von einem Jahrmarkt-Schausteller – ich hab’ vergessen, wie er hieß.«
    »Und die spielen noch?« fragte er, während er sich abwandte.
    »Tadellos!« versicherte Ainsley. »Sie könnten es ausprobieren, aber dann stürmen uns die Leute den Laden, und ich will erst später aufmachen.« Sie trat näher und streifte ihn mit dem Arm. »Aber du hörst sie ganz bestimmt noch. Ehe die einen Bus von Tulsa rüberschicken, vergehen zwei Stunden. Und bis dahin ist der Laden geöffnet.«
    »Zwei Stunden?«
    »Mindestens … Nadoka gehört nicht gerade zu einer wichtigen Greyhound-Route.«
    Ein Polizeimarsch dröhnte von der Musikbox im Restaurant herüber, und obwohl sich für Hayes keine besondere Erinnerung damit verband, mußte er an den Typen denken, den er umgelegt hatte. Donnie, den kaputten Drummer, der nicht mal mehr einen einfachen Shuffle-Rhythmus halten konnte. Er war unter die Dealer gegangen, um in der Szene zu bleiben und hatte sich in fünf Jahren von einem vielversprechenden jungen Musiker in ein ausgehöhltes Wrack verwandelt, mit trüben Augen, fahler Haut und grauen Strähnen im Haar. Hayes sah sein Gesicht in der kaltblauen Atmosphäre der Musik. Sah das Loch in seinem Schädel, die winzigen Glassplitter, die wie Kristalle in einer Schale lagen.
    Von Panik erfaßt wollte er zum Ausgang stürmen, aber Ainsley
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher