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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
Autoren: Sara Gruen
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Vorstellung auf einen Drink in meinen Wohnwagen bitten dürfte.
Sie sind ein Stück lebende Geschichte, und ich würde nur zu gerne aus erster
Hand von diesem Untergang hören. Danach bringe ich Sie persönlich wieder nach
Hause.«
    »Es wäre mir eine Freude«, sage ich.
    Daraufhin stellt er sich wieder hinter meinen Stuhl. »Nun denn. Ich
hoffe, Ihnen gefällt unsere Show.«
    Eine große Ehre.
    Mit einem glücklichen Lächeln lasse ich mich von ihm bis direkt an
die Piste fahren.

Fünfundzwanzig
    Die Vorstellung ist vorbei, und es war eine verdammt gute
Vorstellung, wenn auch nicht in der Größenordnung von Benzini oder Ringling.
Aber wie könnte sie? Dazu braucht man einen Zug.
    Ich sitze an einem Resopaltisch in einem beeindruckend
eingerichteten Wohnmobil und nippe an einem ebenso beeindruckenden Single Malt
– Laphroaig, wenn ich nicht irre – und singe wie ein Kanarienvogel. Ich erzähle
Charlie alles: von meinen Eltern, meiner Affäre mit Marlena und davon, wie
Camel und Walter gestorben sind. Wie ich nachts mit einem Messer zwischen den Zähnen
und Mordplänen im Herzen über den Zug gekrochen bin. Auch von den Männern, die
aus dem Zug geworfen wurden, der Stampede und davon, dass Onkel Al erdrosselt
wurde. Und schließlich erzähle ich ihm, was Rosie getan hat. Ich denke gar
nicht darüber nach. Ich mache nur den Mund auf, und die Worte sprudeln hervor.
    Ich spüre sofort die Erleichterung. Die ganzen Jahre über habe ich
es für mich behalten. Ich dachte, ich würde mich schuldig fühlen, als hätte ich
sie verraten. Aber stattdessen fühle ich – vor allem angesichts Charlies
verständnisvollen Nickens – eine Art Absolution, sogar Erlösung.
    Ich war mir immer unsicher, ob Marlena es wusste – damals herrschte
in der Menagerie ein solches Chaos, dass ich keine Ahnung habe, was sie gesehen
hat, und ich habe es nie angesprochen. Ich konnte es nicht, weil ich ihre
Gefühle für Rosie nicht aufs Spiel setzen wollte – oder vielleicht sogar ihre
Gefühle für mich. Auch wenn es Rosie war, die August getötet hatte – wollte ich
ihn nicht ebenfalls tot sehen?
    Zuerst sagte ich nichts, um Rosie zu schützen – es stand außer
Frage, dass sie Schutz brauchte, damals waren Hinrichtungen von Elefanten nicht
ungewöhnlich –, aber es gab nie eine Entschuldigung dafür, es vor Marlena
geheim zu halten. Auch wenn ihr Verhältnis zu Rosie abgekühlt wäre, hätte sie
ihr nie Schaden zugefügt. Während unserer ganzen Ehe war das mein einziges
Geheimnis vor ihr, und irgendwann war es zu spät. Bei einem solchen Geheimnis
wird das Geheimnis selbst zwar irgendwann unwichtig, aber die Tatsache, es
bewahrt zu haben, nie.
    Nachdem er sich meine Geschichte angehört hat, wirkt Charlie weder
entsetzt noch missbilligend, und in meiner enormen Erleichterung erzähle ich
nach der Geschichte von der Stampede einfach weiter. Ich erzähle ihm von den Jahren
bei Ringling und wie wir nach der Geburt unseres dritten Kindes ausgestiegen
sind. Marlena hatte einfach genug vom Herumziehen – das war wahrscheinlich eine
Art Nesttrieb –, und außerdem kam Rosie langsam in die Jahre. Zum Glück suchte
sich der Tierarzt vom Brookfield Zoo in Chicago gerade dieses Frühjahr aus, um
tot umzufallen, und ich hatte die besten Karten – nicht nur sieben Jahre
Erfahrung mit Exoten und einen verdammt guten Abschluss, ich brachte auch noch
einen Elefanten mit.
    Wir kauften ein Stück Land, das weit genug vom Zoo entfernt war, um
die Pferde behalten zu können, und nah genug, um die Fahrt zur Arbeit
erträglich zu halten. Die Pferde gingen sozusagen in den Ruhestand, obwohl
Marlena und die Kinder noch manchmal auf ihnen ritten. Sie wurden fett und
zufrieden – die Pferde, nicht die Kinder oder Marlena. Bobo blieb natürlich bei
uns. Im Laufe der Jahre hat er mehr Unfug angestellt als alle Kinder zusammen,
aber wir haben ihn trotzdem geliebt.
    Es war eine unbeschwerte, glückliche Zeit; voll schlafloser Nächte
und greinender Babys, im Haus sah es aus, als hätte ein Wirbelsturm gewütet,
und zuweilen hatte ich fünf Kinder, einen Schimpansen und eine Frau, die mit
Fieber im Bett lagen. Auch wenn an einem Abend das vierte Glas Milch
verschüttet wurde oder das schrille Kreischen beinahe meinen Schädel zum
Platzen brachte, auch wenn ich einen meiner Söhne – oder, wie bei einem
denkwürdigen Vorfall, Bobo – aus einer misslichen Lage auf der Polizeiwache
auslösen musste, waren es gute Jahre, es waren großartige Jahre.
    Aber sie
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