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Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten

Titel: Wasser für die Elefanten - Gruen, S: Wasser für die Elefanten
Autoren: Sara Gruen
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hinunter, um ihr den
Kopf zu kraulen.
    »Marlena?«, frage ich und richte mich wieder auf.
    Sie tritt durch den grünen Vorhang. Sie wirkt besorgt und weicht
meinem Blick aus. »Jacob … ach, Jacob, ich habe etwas Dummes angestellt.«
    »Was denn?«, frage ich. »Meinst du die Pferde? Schon in Ordnung. Das
weiß ich bereits.«
    Sie blickt plötzlich auf. »Wirklich?«
    »Ich habe zugesehen. Es war ziemlich offensichtlich, was da vor sich
ging.«
    Sie errötet. »Es tut mir leid. Ich habe einfach … reagiert. Ich habe
nicht darüber nachgedacht, was wir jetzt mit ihnen anfangen sollen. Sie sind
mir einfach so wichtig, und ich hätte es nicht ertragen, wenn er sie
mitgenommen hätte. Er ist kein Stück besser als Onkel Al.«
    »Schon gut. Ich verstehe das.« Ich zögere. »Marlena, ich muss dir
auch etwas sagen.«
    »Ach ja?«
    Ich öffne den Mund und schließe ihn wieder ohne einen Ton.
    Sie wirkt beunruhigt. »Worum geht es? Was ist los? Ist es etwas
Schlimmes?«
    »Ich habe den Dekan in Cornell angerufen, und er ist bereit, mich
mein Examen nachholen zu lassen.«
    Ihr Gesicht erstrahlt. »Das ist ja wunderbar!«
    »Und wir haben Rosie.«
    »Wir haben was?«
    »Es war genauso wie bei dir und den Pferden«, erkläre ich hastig.
»Mir hat deren Elefantenkutscher nicht gefallen, und ich konnte nicht zulassen,
dass er sie mitnimmt – Gott weiß, wo sie landen würde. Ich liebe diesen
Elefanten. Ich konnte sie nicht gehen lassen. Also habe ich behauptet, sie
würde mir gehören. Tja, und jetzt tut sie es wohl.«
    Marlena sieht mich lange an. Zu meiner enormen Erleichterung nickt
sie dann und sagt: »Das war richtig. Ich liebe sie auch. Sie hat etwas Besseres
verdient, als sie bisher hatte. Aber damit sitzen wir in der Patsche.« Sie
blickt aus dem Fenster, die Augen nachdenklich zusammengekniffen. »Wir müssen
bei einer anderen Show anheuern«, verkündet sie schließlich. »Das ist alles.«
    »Wie denn? Keiner stellt zurzeit ein.«
    »Ringling immer, wenn man gut genug ist.«
    »Glaubst du, wir hätten da eine Chance?«
    »Bestimmt. Wir haben eine großartige Elefantennummer zu bieten, und
du bist ein Tierarzt mit einer Ausbildung in Cornell. Wir haben gute Chancen.
Allerdings müssen wir verheiratet sein. Da geht’s zu wie in der
Sonntagsschule.«
    »Meine Liebste, ich wollte dich heiraten, sobald die Tinte auf der
Sterbeurkunde trocken ist.«
    Jeder Blutstropfen weicht aus ihrem Gesicht.
    »Marlena, es tut mir so leid«, sage ich. »So habe ich es nicht
gemeint. Ich wollte nur sagen, dass es keinen Zweifel daran gibt, dass ich dich
heiraten werde.«
    Nach einem kurzen Moment legt sie mir eine Hand auf die Wange. Dann
schnappt sie sich Hut und Handtasche.
    »Wohin willst du?«, frage ich.
    Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und gibt mir einen Kuss. »Den
Anruf erledigen. Wünsch mir Glück.«
    »Viel Glück.«
    Ich folge ihr nach draußen, setze mich auf die metallene Plattform
und sehe ihr nach, wie sie in der Ferne verschwindet. Sie geht mit großer
Bestimmtheit, strafft die Schultern und setzt jeden Schritt genau vor den
anderen. Als sie vorüberschreitet, drehen sich alle Männer auf dem Platz nach
ihr um. Ich folge ihr mit den Augen, bis sie hinter einer Hausecke
verschwindet.
    Als ich wieder aufstehe, um ins Abteil zu gehen, stoßen die Männer
an den Zeltbahnen einen überraschten Schrei aus. Einer von ihnen macht einen
großen Schritt zurück, dabei hält er sich die Hände auf den Bauch. Dann krümmt
er sich zusammen und übergibt sich. Die anderen starren wie gebannt auf ihren
Fund. Der Zeltmeister nimmt seinen Hut ab und drückt ihn an die Brust. Einer
nach dem anderen machen die Männer es ihm nach.
    Ich gehe hinüber, um mir das düstere Bündel anzusehen. Es ist groß,
und beim Näherkommen erkenne ich scharlachroten Stoff, Goldbrokat und
schwarz-weiße Karos.
    Es ist Onkel Al. Eine behelfsmäßige Garrotte ist um seinen
schwärzlichen Hals geschlungen.
    In der gleichen Nacht schleichen Marlena und ich uns in die
Menagerie und holen Bobo zu uns ins Abteil.
    Wenn schon, denn schon.

Vierundzwanzig
    Darauf läuft es also hinaus? Alleine in der Eingangshalle
auf eine Familie zu warten, die nicht erscheint?
    Ich kann nicht fassen, dass Simon es vergessen hat. Ausgerechnet
heute. Ausgerechnet Simon – der Junge hat seine ersten sieben Lebensjahre bei
Ringling verbracht.
    Ehrlich gesagt dürfte der Junge mittlerweile einundsiebzig sein.
Oder neunundsechzig? Verdammt, ich bin es leid, so etwas nicht zu
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