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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun
Autoren: Sanbine Czerny
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individuellen Weg weiterhelfen, auch und gerade, wenn er sich gegen Einschätzungen und Eindrücke des Lehrers oder auch der Mitschüler entscheidet. Wichtiger als das Urteil eines anderen zu akzeptieren, ist, sich ein eigenes Urteil zu bilden und Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Und auch der Lehrer kann anhand der Entscheidungen des Kindes dessen Vorhaben und Ziele besser erkennen und es daraufhin noch individueller unterstützen — er muss sich lediglich leiten lassen und kann dann mit seinem Erfahrungsschatz und seinem Wissen weitere Angebote machen. Schüler sollten ihren Erfolg und ihre Fehler nicht als Belohnung oder Strafe erleben, sondern als Information über sich selbst, die sie befähigt und auffordert, an ihrer Entwicklung zu arbeiten.

    Nur wenn genau unterschieden wird zwischen objektiv messbaren und nicht messbaren Inhalten, ist eine individuelle Förderung jedes Kindes möglich, weil diese Inhalte, wie beschrieben, unterschiedliche Vorgehensweisen erfordern. Für die Persönlichkeit des Kindes ist entscheidend, dass es sich an sich selbst ausrichten kann, nicht am Lehrer oder gar an Kriterien, die für eine künstliche Objektivität geschaffen wurden.
    Damit dennoch Aussagen über ein Kind möglich sind, könnte man bereits in der Schule ein System einführen, das in der Wirtschaft schon lange üblich ist: Hier wird der Erwerb einer Qualifikation quittiert, die Teilnahme an einem bestimmten Kurs oder das Erstellen einer bestimmten Arbeit. Denkbar wäre, eine Art ″Kompetenzbaum″ einzuführen. In diesem würde man eintragen, welche Ausbildungen ein Schüler durchlaufen hat und welche Kurse er besucht hat.
    Durch die Wahl der verschiedenen fachlichen Zweige könnte man beim Blick auf diesen Kompetenzbaum einen Überblick gewinnen und eventuelle Schwerpunkte, beispielsweise im sprachlichen Bereich, sofort erkennen. Im Kompetenzbaum wären auch alle persönlichkeitsbildenden Themen erfasst, etwa ob das Kind ein Instrument spielt, an einer Theaterproduktion mitgewirkt oder bestimmte Ämter übernommen hat. Auch könnten ehrenamtliches Engagement, außerschulische Tätigkeiten, bei ausländischen oder mehrsprachig aufgewachsenen Kindern das Beherrschen diverser Sprachen und Ähnliches festgehalten werden. Auch bestandene standardisierte Tests, die bei objektiv abfragbaren Leistungen eine bestimmte Qualifikation attestieren, sind in diesem Dokument aufgelistet. Statt wie derzeit lebenslänglich an sein schulisches Abschlusszeugnis gebunden zu sein, wäre die Erweiterung des Kompetenzbaumes ein Leben lang möglich. Lebenslanges und außerschulisches Lernen finden derzeit schon statt — was bislang fehlt, ist auch die entsprechende Würdigung und der Erhalt eines Wertes für den beruflichen Werdegang. Mit einem Kompetenzbaum wären lebenslanges und außerschulisches Lernen wieder attraktiv und lohnend. Die Vielfalt der Leistungen unserer Kinder könnte in solch einem Kompetenzbaum weit besser gewürdigt
werden. Jeder Schüler könnte anhand seines Kompetenzbaumes mit der Zeit darüber Klarheit gewinnen, wo seine Neigungen und Interessen liegen, und die für ihn sinnvollen Entscheidungen zu seinem weiteren Lebensweg und der Berufswahl treffen. Ein potenzieller Arbeitgeber könnte sich auf dieser Basis ebenso ein weit umfassenderes Bild von seinem potenziellen Mitarbeiter machen und dann gegebenenfalls mithilfe speziell auf seine Bedürfnisse ausgerichteter Prüfungen die geeignetsten Bewerber auswählen. Die derzeitige Beurteilungspraxis führt durch die damit verbundenen Abschlüsse nicht selten in ein „biografisches Unheil“: Häufig studiert ein Schüler beispielsweise nur, weil er Abitur hat, obgleich seine Interessen und damit auch das, was ihn langfristig innerlich zufriedenstellen würde, in anderen Bereichen liegen.
    Wenn wir wollen, dass alle Kinder gut lernen, müssen wir jedem Kind ermöglichen, Erfolge vorzuweisen und an seinen Fehlern zu wachsen, statt daran zu zerbrechen. Erst wenn zumindest theoretisch die Möglichkeit gegeben ist, dass alle Kinder gut lernen, dass alle Kinder Höchstleistungen erbringen können, konterkariert sich das Bemühen, jedes Kind zu fördern, nicht selbst. Wenn wir zudem eine individuelle Förderung unserer Kinder wünschen, muss sich der Leistungsgedanke an der Individualität
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