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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun
Autoren: Sanbine Czerny
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Geist, der die Schulen durchweht, finden sich vor Ort leider nicht. An unseren Schulen arbeiten zahlreiche hervorragende Pädagogen mit einer Liebe und Hingabe für jedes Kind, doch die Rahmenbedingungen und strukturellen Vorgaben machen dieses Engagement oft zunichte.
    Eine besondere Schwierigkeit dabei, diese Zustände in diesem Buch strukturiert zu beschreiben, entstand für mich dadurch, dass alles mit allem zusammenhängt, einander bedingt und sich gegenseitig beeinflusst. Die Geschehnisse in der Schule sind so vielfältig und vielschichtig, zudem überall doch wieder irgendwie anders, dass es unmöglich ist, all diesen Facetten gerecht zu werden. Jedes Kind, jedes Elternteil, jeder Lehrer durchlebt andere Situationen, macht unterschiedliche Erfahrungen, nimmt Situationen anders wahr. Dennoch möchte ich versuchen, die wichtigsten Faktoren anhand meiner persönlichen Erlebnisse beispielhaft darzustellen, ihren gemeinsamen Kern gut sichtbar und klar herauszuarbeiten und einen Einblick zu geben — um ein Verstehen zu ermöglichen.
    Darüber hinaus möchte ich erzählen, wie es mir als Lehrerin mit meiner Haltung ergangen ist. Mein Ziel war und ist es, alle Kinder im Unterricht zu gewinnen und nicht zuzulassen, dass eines auf der Strecke bleibt. Nachweislich hat sich mein Bemühen so ausgewirkt, dass alle Kinder positive Lernerlebnisse hatten und sich der Notenschnitt jeweils drastisch verbesserte. Dies führte in einem System, das auf Aussortierung durch Noten und Proben angelegt ist, zu massiven Problemen mit einigen Schulleitern und Schulbehörden und schlussendlich zu meiner Strafversetzung an eine andere Schule mit der Begründung, ich hätte den Schulfrieden gestört.
    Immer wieder habe ich erlebt, wie Kinder „abgestempelt“ wurden, wie sie innerlich resignierten und wie ihre Eltern verzweifelten.
Immer wieder habe ich erlebt, dass Lehrer zu Bürokraten degradiert wurden, anstatt sich liebevoll um die ihnen anvertrauten Kinder kümmern zu können. Diese Zustände müssen aufhören.
    Nein, an unseren Schulen ist nicht alles schlecht, gleichwohl erlebe ich, dass tendenziell die in diesem Buch beschriebenen Zustände zunehmend häufiger und schwerwiegender auftreten. Alle ausgewählten dargestellten Situationen basieren auf tatsächlich Geschehenem, nichts ist dazuerfunden, nichts im Kern verändert. Lediglich die Namen der Personen habe ich geändert, teilweise auch die örtlichen und zeitlichen Bezüge, um ein Erkennen der betroffenen Personen so weit wie möglich zu verhindern. Mir ist es wichtig, nicht einzelne Personen aufgrund ihres Handelns und Redens für die Fehler im System verantwortlich zu machen.
    Nach meiner Strafversetzung unterrichte ich derzeit an einer Schule mit einem sehr herzlichen Kollegium, die von einem Schulleiter geführt wird, der trotz aller auch ihm aufgezwungener Bürokratie immer noch den Menschen in den Mittelpunkt stellt und sein Handeln und seine Anweisungen danach ausrichtet. Eine inzwischen selten gewordene Wohltat für alle — Eltern, Kinder, Lehrer und alle anderen dort, wenngleich die Einflüsse und Auswirkungen der Systemstruktur natürlich auch in dieser Schule Einzug halten. Ich möchte ganz herzlich darum bitten, meine Ausführungen nicht auf diese Schule zu beziehen, wenngleich ich oft im Präsens erzähle. Die geschilderten Erlebnisse habe ich fast ausschließlich in den Vorjahren an anderen Schulen gemacht. Aus diesem Grund bitte ich auch darum, diese Schule und die Personen, die im Zusammenhang mit ihr stehen, völlig in Ruhe zu lassen.
    Sie werden im Laufe des Buches merken, dass einige grundsätzliche Aspekte in unserem Schulsystem zweifelhaft sind. Dies habe nicht nur ich bemerkt, andere Kolleginnen und Kollegen sehen das ebenfalls und leiden auch unter den Unzulänglichkeiten eines fragwürdigen Systems. In diesem Zusammenhang hätte ich mir von manch einem Vorgesetzten oder gerade von Schulpsychologen etwas mehr Reflexion gewünscht, aber
sie sind eben doch alle Teil dieses Systems und ihm damit mehr oder weniger verpflichtet. Nur so kann ich mir manch abwegig anmutendes Verhalten erklären. Ich bin innerhalb des Systems dafür bestraft worden, dass Kinder bei mir erfolgreich und mit Freude lernen, obgleich wir gesellschaftlich ein unbestreitbares Bildungsproblem haben — das ist absurd. Ähnliches spielt sich, nach meinen
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