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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun
Autoren: Sanbine Czerny
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Lebens- und damit Lernumgebung. Kinder, denen diese Grundlagen fehlen, holen diese aber auf, wenn sie in eine anregende, niveauvolle Umgebung kommen, die Wert auf die Entwicklung dieser Eigenschaften legt. Gerade aus diesem Grund ist ein Arrangieren des Unterrichts in den ersten Jahren wichtig. Kinder benötigen eine Person, die diese Werte vermittelt und einfordert. Begleitung und Anleitung brauchen die Kinder aus den privilegierten Schichten in diesem Alter aber ebenso noch, jedes sicher in einer anderen Art und Weise.
    Im gemeinsamen Unterricht wird jedes Kind seinen Fähigkeiten entsprechend eingebunden, sodass es insgesamt ein volles und rundes Bild ergibt, das alle Kinder durch die Fülle und Vielfalt bereichert. Kinder aus privilegierten Familien bringen sich sicher anfangs mit anspruchsvolleren Inhalten ein, davon profitieren die Kinder der sozial schwachen Schichten und bauen ihren Erfahrungshorizont weiter aus. In meiner Klasse gibt es durchaus Kinder, die oft den anderen einfach zuhören und zusehen. Mit der Zeit sammeln sie so Wissen und Eindrücke und bringen sich schließlich selbst immer stärker ein. In den individuellen Lernphasen arbeitet jedes Kind an seinen individuellen Lernbereichen. Kinder mit Defiziten werden sich vorrangig um das „Aufholen“ kümmern und üben, andere Kinder werden bei den für sie interessanten Themen mehr ins Detail gehen, sich weiterführend mit Dingen beschäftigen oder eben ihre individuellen Begabungen ausbilden. Die selbstständig gewonnenen Ergebnisse aller Kinder werden wieder zusammengetragen, sodass alle von den individuellen Arbeiten jedes einzelnen Kindes profitieren können. Das Rad muss nicht immer neu erfunden werden.
    Der Unterricht findet wie bislang auf hohem Niveau statt. Ziel ist, dass benachteiligte Kinder die Defizite bald ausgeglichen haben und alle Kinder auf höchstem Niveau stehen. Wir müssen verstehen, dass benachteiligte Kinder nicht per se dumm sind, sondern nur Defizite haben, die sie aufholen müssen. Das geschieht durchaus nebenbei, mit der Zeit gewinnen sie einen Erfahrungsschatz, erhalten Struktur und bemühen
sich um Genauigkeit, wenn ihnen diesbezüglich individuelle erreichbare Ziele gesteckt werden. Das sind keine wirklichen „Lerninhalte“, sondern das liegt im Bereich der Persönlichkeitsbildung. Meiner Meinung nach ist die Frage, wie gut ein Kind lernt, die Frage danach, wie weit und organisch sich seine Persönlichkeit entwickelt und welches Selbstbild es gewonnen hat. Ob ein Kind sprachliche Defizite hat oder die Grundrechenarten noch nicht beherrscht, spielt beispielsweise bei der Beschäftigung und dem Verständnis von Strom keine Rolle. Es könnte sich also durchaus mit Strom beschäftigen und die Prinzipien verstehen, auch wenn es erst ein Jahr später als die anderen Kinder die Grundrechenarten beherrscht oder dann erst seine physikalischen Erkenntnisse schriftlich angemessen formulieren kann. Ebenso ist eine Beschäftigung mit der Fotosynthese möglich, auch wenn beim Thema Strom Fragen offengeblieben sind. Viele Themen fangen neu an und Verständnislücken können in der Regel daher schnell geschlossen werden, wenn man sich darum bemüht. Wir sehen Lernen oft als Turmprinzip, wo eines erst nach dem anderen kommen kann und alles aufeinander aufbaut. Das ist aber nur teilweise und auch nur innerhalb eines Bereichs richtig. Lernen verläuft netzartig. Daher ist vieles bereichernd, auch wenn sich manche Verknüpfungen erst später schließen.
    Wir aber selektieren Kinder in unseren Schulen aus, weil sie Defizite in den Grundlagen haben und wir davon ausgehen, dass dann der nächste Schritt auch nicht gemacht werden kann. Dabei übersehen wir, dass diese Grundlagen über die Zeit und in entsprechender Lernumgebung vollständig ausgebildet werden können und diese Defizite bei der Beschäftigung mit und beim Verstehen von anderen Themen im Kern nicht hinderlich sind. Derzeit jedoch werden Kindern diese anderen Themen vorenthalten. Das Resultat: Ihnen fehlt schließlich immer mehr an Wissen, und es kommt zu den eklatanten Bildungsunterschieden, die wir zwischen Jugendlichen sehen.
    Â 
    In Vergleichsstudien schneidet Bayern stets recht gut ab, erst letztens wieder in der Ländervergleichsstudie des Berliner
Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). 1 Spricht das nicht eindeutig für ein mehrgliedriges
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