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Was wir sind und was wir sein könnten

Was wir sind und was wir sein könnten

Titel: Was wir sind und was wir sein könnten
Autoren: Gerald Hüther
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Wer nicht in einer solchen Gemeinschaft aufgewachsen ist und all das nicht erlernt hat, gerät in einer ihm fremden Gemeinschaft zwangsläufig in Beziehungsschwierigkeiten. Die können in Extremfällen ein Zusammenleben mit diesen anders sozialisierten Menschen unmöglich machen.
    Die Begegnung und ein fruchtbarer Austausch zwischen Mitgliedern derartig unterschiedlicher Kulturgemeinschaften wird – ebenso wie im Gehirn – dann möglich, wenn Probleme entstehen, die nur gemeinsam lösbar sind, oder wenn Aufgaben zu bewältigen sind, die ein Zusammenwirken aller Beteiligten erforderlich machen.
    Bisweilen kann eine menschliche Gemeinschaft, ebenso wie ein einzelnes Gehirn, aber so ausgelastet sein, dass alle Drähte im Gehirn in Form von Nervenzellverbindungen und synaptischen Verschaltungen heißlaufen und alle Mitglieder, sprich Nervenzellen, sich bis zur Erschöpfung einsetzen müssen, um alle Aufträge zu erledigen und alle Verpflichtungen zu erfüllen. Für eine kurze Zeit mag das gutgehen, aber auf lange Sicht wird man wohl die Organisation dieser Gemeinschaft verändern müssen. Leider wird aber allzu häufig versucht, die entstandenen Probleme durch Rückgriff auf bisher bewährte Strategien zu lösen und vorhandene Ressourcen noch besser zu nutzen als bisher. Aber überall dort, wo Angst geschürt, Druck gemacht, genau vorgeschrieben und peinlich überprüft und kontrolliert wird, wo Mitdenken nicht wertgeschätzt wird und eigene Verantwortung nicht übernommen werden kann, verliert der Innovationsgeist der Mitglieder einer solchen Gemeinschaft die thermische Strömung, die gebraucht wird, um seine Flügel zu entfalten. Dann kommt es anfänglich noch zu sogenannten Leerlaufhandlungen, die dann zunehmend in Frustrationshaltungen und Resignation übergehen. Dem dopaminergen Neugier-, Antriebs- und Belohnungssystem im Gehirn der Mitglieder einer solchen Gemeinschaft fehlen dann die erforderlichen Wachstumsimpulse und es beginnt zu verkümmern. Ohne entsprechende »Wiedererweckung« ihrer Entdeckerfreude und Gestaltungslust ist von solchen Gemeinschaften nicht mehr viel Kreativität zu erwarten. Man kann aber keinen Menschen motivieren, sein kreatives Potential zu entfalten, man kann ihn dazu nur einladen, ermutigen, vielleicht auch inspirieren. Die Lust, sich einzubringen, mitzudenken und mitzugestalten, lässt sich nicht anordnen oder verordnen, nur wecken. Was man aber schneller und nachhaltiger, als es einem später lieb ist, bewirken kann, ist die Unterdrückung dieser Lust. Das geschieht immer dann, wenn sie frustriert wird – durch einen Mangel an Aufgaben und Verantwortung, durch unzureichende Wertschätzung, durch Verunsicherung, durch Druck und das Schüren von Angst.
    In jeder menschlichen Gemeinschaft gibt es etwas, das sie wie ein inneres Band zusammenhält. Wenn dieses innere Band zerreißt, zerfällt die betreffende Gemeinschaft. Dann ist sie keine Gemeinschaft mehr, sondern ein zusammengewürfelter Haufen. Ähnlich wie die im Frontalhirn verankerten inneren Haltungen und Einstellungen – also die Geisteshaltung oder Gesinnung – das Denken, Fühlen und Handeln eines einzelnen Menschen bestimmt, wird all das, wofür sich eine menschliche Gemeinschaft einsetzt, was ihr wichtig und bedeutsam ist, was sie im Innersten zusammenhält, durch etwas bestimmt, das genauso unsichtbar ist wie diese inneren Einstellungen. Wir nennen es den Geist, von dem die betreffende Gemeinschaft getragen ist. Fußballmannschaften brauchen, wenn sie ein Spiel gewinnen wollen, einen Teamgeist, Familien brauchen einen Familiengeist, Schulen einen Schulgeist, Unternehmen einen Unternehmensgeist.
    Dieser gemeinsame, den Zusammenhalt einer Gemeinschaft stärkende, die Ziele, für die die Mitglieder dieser Gemeinschaft sich einsetzen, definierende und ihre Beziehungen bestimmende Geist entsteht durch die Erfahrungen, die die Mitglieder einer Gemeinschaft im Verlauf ihrer Entwicklung als Gemeinschaft machen. Die werden oft in Mythen und Sagen, in Geschichten und Erzählungen, in Liedern und Aufzeichnungen festgehalten, später als gemeinsame Wertvorstellungen definiert und in Regeln und Gesetzen festgeschrieben.
    Normalerweise wird das Denken, Fühlen und Handeln einer Gemeinschaft durch diesen gemeinsamen Geist so gelenkt, dass die betreffende Gemeinschaft genau das zu leisten und weiterzuführen imstande ist, was sie zusammengeführt hat, aus welchem Grund und zu welchem Zweck sie sich herausgebildet hat. Eine
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