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Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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und dich deshalb rechtzeitig aus dem Staub gemacht.»
    Ich spüre, dass Iris’ Verdächtigungen mich auf die Palme bringen. «Bei diesen gewissen Leuten handelt es sich nicht zufällig um deinen Vater und deine Großmutter, oder?»
    «Wenn alle so schrecklich falschliegen, dann sag du mir doch einfach, wie es wirklich war», erwidert sie schnippisch und stellt eine Tasse Kaffee auf den alten, aber hübschen Küchentisch. «Bitte sehr.»
    «Danke sehr.» Ich nehme einen Schluck und überlege. «Du willst die Wahrheit wissen? Okay. Die Wahrheit ist, dass ich den Job deinetwegen hingeschmissen habe.»
    Jetzt ist Iris bass erstaunt. Sie stellt eine weitere Tasse Kaffee auf den Tisch und setzt sich. «Was soll das heißen: meinetwegen?»
    «Du hast mich doch damals gebeten, Timothy zu helfen …», beginne ich.
    Ihr spöttisches Lachen beendet den Satz vorzeitig. «Schon klar. Du hast dich aufgeopfert, um meine Ehe zu retten. Willst du mir das erzählen?»
    Ich schüttele den Kopf. «Deine Ehe war mir völlig gleichgültig. Ich hab sogar lange Zeit gehofft, dass sie scheitern würde. Vielleicht hätte ich dann ja eine Chance bei dir bekommen.»
    Sie sieht mich durchdringend an. «Aber stattdessen hast du Timothy geholfen und damit auch meiner Ehe. Wie passt denn das zusammen?»
    «Ganz einfach. Hätte ich dir die Bitte abgeschlagen, säßen wir jetzt nicht hier. Du würdest mir nämlich bis in alle Ewigkeit vorwerfen, dass ich deine Ehe zerstört und dich zur mittellosen, alleinerziehenden Mutter gemacht habe. Außerdem hatte ich sowieso keine Lust mehr auf den Job. Die Entscheidung ist mir also leichtgefallen.»
    Letzteres stimmt nicht ganz. Erst als ich verstanden hatte, dass Iris für mich unerreichbar bleiben würde, hatte ich plötzlich das drängende Verlangen, mein Leben über den Haufen zu werfen. Ich weiß nicht, ob ich das auch getan hätte, wenn Iris nicht gewesen wäre.
    Sie sieht mich immer noch an. «Du bist ein merkwürdiger Mensch, Paul.»
    «Ja. Schon möglich.»
    «Stimmt es, dass du alles verloren hast?»
    «Gut, dass du das ansprichst. Ich wollte dich nämlich sowieso bitten, mir ein bisschen Geld zu leihen.» Die Frage ist mir zwar äußerst unangenehm, aber ich weiß gerade nicht einmal, wovon ich eine Busfahrkarte in die City bezahlen soll, um dort meinen Freund Schamski zu treffen.
    Iris erhebt sich wortlos, zieht einen Geldschein aus einer Schublade und legt ihn mir hin. «Fünfzig Pfund. Mehr habe ich im Moment nicht.»
    «Danke.» Rasch stecke ich das Geld ein. «Ich hoffe, Audrey kann mir was vorstrecken, bis ich einen Job habe. Dann gebe ich es dir sofort zurück.»
    Iris winkt ab. «Schon okay. Im Moment helfen wir uns alle gegenseitig. In ein paar Wochen wissen wir, wie es um den Verlag und das Familienvermögen steht. Mit etwas Glück beginnen dann wieder bessere Zeiten.»
    «Ich weiß. Audrey hat mir erzählt, dass sie eine Weile bei euch wohnen kann. Das ist sehr großzügig. Wo steckt sie eigentlich?»
    «Im Kongo.»
    Das stundenlange Geklimper von Frère Jacques zeigt offenbar Wirkung.
    «Entschuldige», sage ich. «Ich habe gerade verstanden: im Kongo.»
    Iris nickt. «Richtig. Das habe ich ja auch gesagt.»
    «Im Kongo», wiederhole ich und stelle mir vor, wie in meinem Gehirn die Angestellten hektisch durcheinanderlaufen, weil sie die Information nicht zuordnen können. «Audrey war vorgestern noch bei mir», rekapituliere ich hilflos. «Und sie ist hochschwanger. In ein oder zwei Wochen könnte das Kind kommen.»
    «Oder in genau vier Tagen», erwidert Iris ungerührt. «Das wäre dann nämlich der errechnete Geburtstermin.»
    «Reden wir denn vom gleichen Kongo?», frage ich ebenso blöd wie aufgeschmissen.
    «Ich rede von dem in Afrika», erklärt Iris.
    «Aber wie ist sie denn da überhaupt hingekommen? Das dauert doch ewig mit dem Schiff», stelle ich empört fest.
    «Sie ist geflogen.» Iris sieht, dass ich etwas einwenden will, und hebt die Hand. «Es war kein regulärer Flug. Eine humanitäre Organisation hat die Maschine gechartert, um zwanzig Ärzte in den Kongo zu fliegen. Audrey ist dabei, um die Aktion fotografisch zu dokumentieren. Die Initiatoren sind Freunde von ihr. Deshalb hat sie zugesagt. Außerdem ist sie ja umringt von Ärzten, falls es Schwierigkeiten gibt. Es kann also eigentlich nichts passieren.»
    «Ist das wirklich deine Meinung?», frage ich skeptisch.
    «Nein! Das hat Audrey gesagt. Ich fand die Aktion sehr gewagt.»
    «Gewagt?», ereifere ich mich.
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