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Was will man mehr (German Edition)

Was will man mehr (German Edition)

Titel: Was will man mehr (German Edition)
Autoren: Hans Rath
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immer ohne Schrammen davonkommt, egal ob er seine Frau betrügt oder den Verlag vor die Wand fährt. Ist das eine besondere Gabe oder besonderes Glück?
    «Timothy glaubt ebenfalls, dass du das Ruder hättest rumreißen können», antwortet Schamski. «Er hält viel von dir.»
    «Es ist wirklich toll, dass mich im Nachhinein alle für unheimlich kompetent halten», erwidere ich spöttisch. «Blöd ist nur, dass jetzt trotzdem alle sauer auf mich sind.»
    «Ja. Aber das gibt sich auch wieder», winkt Schamski locker ab.
    «Klar. Nur leider bin ich pleite. Ich hatte gehofft, ich könnte in einem von Melissas Fitnessstudios arbeiten.»
    Schamski muss laut lachen. «Entschuldige, Paul, aber du siehst im Moment aus wie ein Schlaganfallopfer. Ich möchte nicht, dass unsere Kunden sich bekreuzigen, wenn sie das Studio betreten und dich sehen.»
    «Hey! Ich bin nur ein bisschen übermüdet.»
    «Ein bisschen?», feixt Schamski. «Wenn du dich vors British Museum in die Sonne legst, tragen sie dich binnen zwei Minuten in die Mumiensammlung.»
    «Schon gut», winke ich ab. «Ich könnte ein paar Mützen Schlaf gebrauchen, einen besseren Anzug, etwas Geld und weniger Probleme. Aber immerhin muss ich noch kein Kopftuch tragen.»
    «Kommt noch», erwidert Schamski. «Ich werde aber mal mit Melissa reden. Ich muss sowieso nach Mallorca. Vielleicht kannst du mich vertreten.»
    «Solange du willst», antworte ich prompt. Als künftiger Familienvater bin ich schließlich auf jeden Job angewiesen, den ich kriegen kann.
    «Es wird hoffentlich nur ein paar Tage dauern», erklärt Schamski. «Ich soll mich um den Verkauf des Ferienhauses kümmern, damit wir die Maklerprovision sparen.»
    Ich stutze. «Ferienhaus?»
    «Ja. Das Ferienhaus der Familie. Wir beide waren im letzten Jahr da, um die künftige Unternehmensstrategie abzustimmen.»
    «Ich weiß», erwidere ich. «Ich stutze nur wegen deiner Wortwahl. Ferienhaus! Das Ding ist ein Palast, und das Grundstück ist riesig. Der Verkauf dürfte die Familie auf einen Schlag sanieren.»
    «Schön wär’s», erwidert Schamski. «Aber sogar das Ferienhaus ist beliehen worden, um dem Verlag zu helfen. Wenn wir es nicht selbst verkaufen, wird es zwangsversteigert. Wir werden es also unter Wert anbieten müssen. Falls vom Erlös überhaupt was übrig bleibt, dann nicht sehr viel.»
    «Schade. Das klingt nach einem undankbaren Job.»
    «Einerseits ja», erwidert Schamski. «Andererseits komme ich in die Sonne und kann mal wieder richtige Kleidung tragen. Das ist ja auch was wert.»
    «Müsste ich den Job im Studio eigentlich auch immer im Jogginganzug …»
    «Allerdings», unterbricht Schamski. «Aber zuerst muss ich Melissa überzeugen. Und du solltest dich ein bisschen in Form bringen. Du siehst jetzt schon aus wie ein alleinerziehender Vater mit Zwillingen, dabei ist euer Kind noch gar nicht geboren. Apropos, wo ist eigentlich Audrey?»
    «Im Kongo», antworte ich sachlich und prompt.
    «Entschuldige», sagt Schamski. «Ich habe gerade verstanden: im Kongo.»
    Ich nicke. «Richtig. Das habe ich ja auch gesagt.»
    Schamski holt Luft, um etwas zu erwidern.
    «Moment», bitte ich und krame einen Zettel hervor. Ich schiebe das Papier über den Tisch. «Nur bevor ich es vergesse. Kannst du mir sagen, wie lang ich brauche, um dahin zu kommen? So ungefähr?»
    Schamski betrachtet den Zettel. «Das liegt im Südosten. Ehrlich gesagt, eine richtig miese Gegend.»
    «Wirklich?», erwidere ich. «Noch mieser als die hier?»
    Schamski schiebt den Zettel zurück. «Ich bin gespannt, ob du auch noch so gute Laune hast, wenn dir eine Straßenbande deine letzten Mäuse abknöpft. Was willst du überhaupt bei dieser Hilfsorganisation?»
    «Kontakt zu Audrey aufnehmen.»
    «Interessant», erwidert Schamski. «Erzähl!»
    Ein paar Stunden später muss ich an Schamskis Worte denken. Ich bin tatsächlich auf dem Weg in eine richtig miese Gegend. Mit jedem Halt sehen die U-Bahn-Stationen heruntergekommener und die Reisenden ärmlicher oder bedrohlicher aus. Inzwischen sind ein krakeelender Quartalssäufer mit einer Flasche Billigfusel, eine schimpfende alte Frau mit einem Einkaufswagen voller Plunder und ein paar gewaltbereit aussehende Jugendliche zugestiegen. Da ich noch ein paar Stationen vor mir habe, trifft es sich gut, dass ich auf dem Weg zu einer Hilfsorganisation bin. Gut möglich, dass ich später tatsächlich Hilfe brauche.
    «Samuel Beckett!», krächzt ein alter Mann mit einem Armeemantel und einer
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