Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was uns nicht gehört - Roman

Was uns nicht gehört - Roman

Titel: Was uns nicht gehört - Roman
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
Vom Netzwerk:
bei Walter & Kremer arbeite, aber das heiße ja nicht, dass ich nicht vielleicht etwas dazuverdienen wolle.
    «Schau mich an», sagte er, «ich habe drei Jobs, und in manchen Monaten reicht mir noch nicht einmal das.»
    Ich hatte keine Ahnung, woher er von meiner Arbeit bei Walter & Kremer wusste, und war froh, dass er diesbezüglich wenigstens nicht auf dem neuesten Stand war. Ich selbst wusste von ihm seit unserem Match immerhin seinen Namen, Josef Dorn, aber er bat mich, ihn Jo zu nennen.
    «Nichts Schweres», sagte er, «Garderobe, dreißig Euro am Abend, mit Trinkgeld vielleicht fünfunddreißig, wenn ich Zeit hätte, würde ich es selbst machen.»
    Er nannte mir ein Lokal in der Innenstadt, das mir noch nie aufgefallen war und das laut Jo regelmäßig Kulturveranstaltungen anbot.
    «Zumindest das», sagte er, «was die im Mahagoni für Kultur halten. Für mich klingen die Sachen eher nach Seniorenkränzchen, aber das kann dir ja egal sein.»
    «Könnte in der Tat ein bisschen viel werden», erwiderte ich, «aber ich schau’s mir mal an.»
    Jo kramte aus dem Seitenfach seiner Sporttasche ein Programm des Lokals und schrieb auf die Rückseite den Namen des Besitzers. «Roloff», sagte er, «ein Bier, und wir sind quitt.»
    Mir war nicht recht klar, worin Jos Interesse bestand, mir einen Job zu vermitteln, noch dazu, ohne um meine wirkliche Situation zu wissen. Wie ich vermutete, fand man an jeder Ecke zehn Leute, die für dreißig Euro am Abend einen Garderobejob machten, warum also fragte er mich? Andererseits schien es mir völlig unnütz, mir den Kopf über Dinge zu zerbrechen, die mir im Grunde genommen egal sein konnten. Zumal sich meine Lage seit einigen Tagen weiter zugespitzt hatte.
    Ich hatte mich gegen sämtliche inneren Widerstände dazu durchgerungen, zum Arbeitsamt zu gehen, um mir jetzt, da ich nichts mehr von Kremer zu erwarten hatte, wenigstens mein Arbeitslosengeld zu sichern, aber dort hieß es, dass das mit dem Arbeitslosengeld in meinem Fall so eine Sache sei.
    «So eine Sache?», hatte ich ein wenig ungläubig nachgefragt, und der Beamte hinter seinem Tisch hatte genickt und gesagt: «Wie die Dinge liegen, bekommen wir da erst einmal nichts.»
    Er betete mir ein paar Paragraphen herunter, von denen ich so viel verstand, dass ich einen Kardinalfehler begangen hatte, indem ich Kremers Abfindung akzeptiert hatte, ohne auf meine Kündigungsfrist zu bestehen.
    «Tut mir leid», sagte der Beamte, «aber da sind uns die Hände gebunden.»
    Immerhin bot er mir ein paar Jobs an, die allesamt weit unter meiner Qualifikation lagen und die ich ohne Ausnahme als Beleidigung empfand.
    «Sie sind nicht mehr der Jüngste», sagte er, «da müssen wir realistisch bleiben.»
    «Ich bin sechsundvierzig», erwiderte ich.
    Der Mann nickte. «Eben», sagte er, «besser wir sind da jetzt mal nicht so wählerisch.»
    Ich sah ihn an, und obwohl er ein durchaus freundliches Gesicht hatte, verspürte ich den dringenden Wunsch, ihn zu ohrfeigen, solange, bis er jedes einzelne Wir zurückgenommen hatte. Jedes Wir und jeden der albernen Jobs, die er wie Glücksverheißungen vor mir auf dem Tisch ausgebreitet hatte.
    «Packen Sie das weg», sagte ich, «sonst fliegt Ihnen der Quatsch hier gleich um die Ohren.»
    Ich sah, wie die Freundlichkeit im Gesicht des Mannes für Sekundenbruchteile kollabierte, und auch, wie er sich bemühte, sich nichts davon anmerken zu lassen.
    «Lassen Sie uns mal schauen», sagte er und klickte ein paar Mal mit der Maus, «irgendetwas Passendes müssen wir doch für Sie haben.»
    Er nickte fortwährend zu dem, was er auf seinem Bildschirm sah, so lange, bis die Tür aufging und zwei Männer hereinpolterten. Sie trugen dunkle Security-Uniformen und sahen auch ansonsten nicht eben herzerwärmend aus. Sofort streckte der Mann hinter dem Schreibtisch seinen Arm aus und deutete auf mich.
    «Er hier», sagte er, «er hat mich bedroht.»
    Mir war nicht recht klar, was hier vorging, oder nein, mir war klar, was hier vorging, aber das war doch ein Witz.
    «Nein, nein», sagte ich, «das stimmt nicht», doch die beiden Security-Männer hatten sich bereits meine Oberarme gegriffen und zogen mich vom Stuhl hoch.
    Der Beamte hinter dem Schreibtisch sah mich an. Die Freundlichkeit in seinem Gesicht war einem nicht zu übersehenden Triumph gewichen. Er hatte den gefährlichen Randalierer überwältigt und sonnte sich nun im Ruhm seiner Entschlossenheit.
    «Mit jemandem wie Ihnen», sagte er, «sind wir hier
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher