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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Autoren: Holm Friebe
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dem Tiefststand der Kurse. Das Bruttoinlandsprodukt der Welt, mithin der bezifferte Wert aller in einem Jahr weltweit gehandelten Güter und Dienstleistungen, erreichte 2008 einen Allzeit-Höchststand von 61 Billionen Dollar, bevor die Kurve krisenbedingt einknickte. Der Handel mit Derivaten, Optionen und Futures, also mit Papieren, die keinen eigenen Wert unterlegt haben, sondern auf die Entwicklung anderer Größen spekulieren, umfasste zu diesem Zeitpunkt sogar ein Volumen von weit über 600 Billionen Dollar – zehnmal mehr als die reale Wirtschaftsleistung des gesamten Erdballs.
    Zehnmal mehr können wir uns irgendwie vorstellen, 600 Billionen Dollar nicht. Und mal ehrlich: Wer würde widersprechen, wenn wirdas Volumen der Weltwirtschaft nicht auf 61, sondern auf 610 Billionen Dollar beziffert hätten? Wie abstrakt diese Regionen letztlich bleiben, lässt sich an einem häufigen Übersetzungsfehler aus dem Englischen ablesen: Oft ist von „Billionen Dollar“ die Rede, wo eigentlich Milliarden gemeint sind, während die englische „trillion“ zur Trillion statt zur Billion wird.
    Noch geringer als auf Geld wirkt sich die Erdenschwere der physischen Welt auf Daten und Information aus. Diese wachsen scheinbar über alle Grenzen, limitiert nur durch das Mooresche Gesetz, welches besagt, dass sich die Leistung von Computerchips alle 18 bis 24 Monate verdoppelt. So wird der Informationsgehalt des Internets für 2010 auf 1,2 Zetabyte, also 1,2 Billionen Gigabyte taxiert. Daten fressen kein Brot und nur minimal Strom, sodass sie sich beinahe schwerelos vermehren können. Manchmal aber bereitet die Inflation der Zahlen in diesen Regionen, in denen sich sonst nur Astrophysiker bewegen, ganz reale Probleme – dann nämlich, wenn sie mit den Grenzen der physischen Welt kollidieren.
    Im Frühjahr 2011 war es so weit: Die IP-Adressen gingen aus. Die Zahl der möglichen digitalen Hausnummern hielt mit dem Wachstum des Internets und der Zunahme der Endgeräte nicht mehr mit. Als man sie vor 30 Jahren als Kombination aus vier dreistelligen Zahlen mit Werten zwischen 0 und 255 einführte, konnte man sich nicht vorstellen, dass das Kontingent der 4.294.967.296 möglichen Adressen irgendwann erschöpft sein würde, aber so kam es. Abhilfe brachte erst die Einführung der neuen IPv6-Adressen, mit denen sich theoretisch 340.282.366.920.938.463.463.374.607.431.768.211.456 mögliche virtuelle Orte eindeutig ausweisen lassen. Sascha Lobo hat sich in seinem Blog die Mühe gemacht, diese Zahl einmal in Worten auszuschreiben, was wir hier gerne wiedergeben: „Dreihundertvierzig Sextillionen zweihundertzweiundachtzig Quintilliarden dreihundertsechsundsechzig Quintillionen neunhundertzwanzig Quadrilliarden neunhundertachtunddreißig Quadrillionen vierhundertdreiundsechzig Trilliarden vierhundertdreiundsechzig Trillionen dreihundertvierundsiebzig Billiarden sechshundertsieben Billionen vierhunderteinunddreißig Milliarden siebenhundertachtundsechzig Millionen zweihundertelftausendvierhundertsechsundfünfzig“. Damit ließe sich jedem Sandkorn an allen Stränden und in allen Wüsten der Erde eine eigene IP-Adresse zuweisen. Das sollte fürs Erste reichen.
    Eine größte Zahl kann es per Definition nicht geben, aber die größte derzeit bekannte Primzahl ist 2 43.112.609 − 1, eine Zahl mit 12.978.189 Dezimalstellen. Errechnet wurde sie 2008 an der University of California in Los Angeles von einem fuchsigen Systemadministrator namens Edson Smith. Der hatte ein als Bildschirmschoner getarntes Rechenprogramm auf die Universitätsrechner eingeschmuggelt, um sich das von der Electronic Frontier Foundation für die Entdeckung der ersten Primzahl mit über zehn Millionen Stellen ausgesetzte Preisgeld von 100.000 Dollar zu sichern. Und damit verlassen wir Extremistan, das Reich der ganz großen Zahlen, und wenden uns wieder dem Alltag zu – aber auch der hat seine Tücken.
    Denn es fällt schon schwer genug, in der zugerümpelten modernen Welt zu navigieren, auch wenn uns hier nicht ständig Zahlen jenseits des Vorstellbaren entgegenschlagen. „Das große Glück der großen Zahl“, wie Jeremy Bentham das Programm der gesellschaftlichen Nutzenmaximierung unter dem Label „Utilitarismus“ zusammenfasste, schlägt immer häufiger um in Unzufriedenheit und Überdruss. Es scheint ein Zeitsymptom zu sein, dass es von allem zu viel gibt und das heutige Individuum dadurch überfordert ist: zu viel Stess, zu viele Informationen, vor allem aber zu
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