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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Autoren: Holm Friebe
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Definition beginnt Reichtum dort, wo man komfortabel von den Zinsen leben kann, ohne die Substanz des Vermögens anzutasten. Die Zahl der Superreichen nimmt zu, und das Spektrum ist nach oben ziemlich offen. Nach Druyens Recherchen gibt es allein in Deutschlandrund 130 Milliardäre, wobei die Datenbasis naturgemäß dünn ist und die Zahl je nach Bewertungsansatz variieren kann. Befragt nach der symbolischen Qualität und dem realen Gehalt, den diese Schwellenwerte haben, kann Druyen bestätigen: „Die Million, die Milliarde und vor allem die Billion sind Zahlenmythen, die konkret wirken und bestimmte Vorstellungen erlauben. Im Grunde aber sind es nur Türschilder in eine Welt, die sich der Vorstellung der meisten Menschen völlig entzieht.“
    Die platte Erklärung dafür, warum wir uns mit solch großen Zahlen, Summen und Mengen so schwertun, ist, dass sie in unserem Alltag keine Rolle spielen. Deshalb sind eine Million oder eine Milliarde von irgendetwas Größenordnungen, die wir uns nicht plastisch vorstellen können – egal, ob es sich um Geld, Gehirnzellen oder die Zahl der Facebook-Nutzer handelt. Gerne wird in solchen Fällen auf Vergleichsgrößen und Visualisierungen zurückgegriffen, um unserer mangelnden Vorstellungskraft für große Zahlen auf die Sprünge zu helfen und einen anschaulichen Eindruck ihrer Relationen zueinander zu gewinnen. So lassen sich etwa große Geldsummen in Mengen von Bargeld übersetzen: Während eine Million Euro in 100-Euro-Scheinen noch bequem in den inzwischen sprichwörtlich gewordenen schwarzen Koffer aus der CDU-Parteispendenaffäre passt, stapeln sich die Scheine bei einer Summe von 100 Millionen Euro schon über einen Meter hoch auf der Fläche einer Europalette. Und für eine Milliarde Euro sind dann schon zehn solcher Paletten vonnöten.
    Aber die Ursachen dafür, dass wir mit derart großen Zahlen nicht richtig warm werden, liegen tiefer, wie Nassim Nicholas Taleb, Mathematiker und Autor des Bestsellers Der Schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse erläutert. Solche schwarzen Schwäne sind Ereignisse, mit denen niemand rechnet, die aber enorme Folgen haben, wie etwa der 11. September oder die Finanzkrise. Taleb geht es in seinem Buch um unsere strukturelle Unfähigkeit, den richtigen Umgang damit zu finden. Er unterteilt gesellschaftliche Phänomene in zwei Kategorien, die er mit Ländernamen umschreibt: Mediokristan und Extremistan. Wofür sie stehen, beschreibt er mit einem Gedankenexperiment: Würde man zu einem willkürlich ausgewählten Sample von tausend Menschen den dicksten Mann der Welt addieren, würde er das Durchschnittsgewicht nur minimal anheben. Würde man hingegen zu einer gleich großen Gruppe anDurchschnittsverdienern Bill Gates hinzugesellen, würde dieser allein 99,9 Prozent des Gesamtvermögens der Gruppe stellen.
    Die Erklärung: Die meisten physischen Größen, die in enger Verbindung zur Natur stehen – also etwa Gewicht, Körpergröße, Kalorienkonsum –, stammen aus Mediokristan und tendieren zu einem Mittelwert. Dagegen stammt die soziale Materie, die nicht den physikalischen Gesetzen der Schwerkraft unterliegt, aus Extremistan, wo enorme Ausreißer und extreme Amplituden an der Tagesordnung sind. Die moderne Welt mit ihren Rückkopplungsschleifen und Netzwerkeffekten bringt erst jene Nichtlinearitäten hervor, die sich in groben Unterschieden, Extremwerten und der prinzipiellen Unvorhersagbarkeit von Ergebnissen niederschlagen, egal, ob es um die Anzahl von Buchverkäufen, Personen bei der Loveparade oder die Entwicklung von Aktiendepots geht. Die Hardware hinter unserem kognitiven Apparat ist allerdings auf Mediokristan optimiert, weil die gesamte Evolutionsgeschichte in einer Mediokristan-Umgebung stattfand. Die Grundannnahme, dass Dinge sich kontinuierlich entwickeln und sich innerhalb eines begrenzten Rahmens bewegen, ist deshalb mehr oder weniger hart verdrahtet in unseren Gehirnen angelegt. Und daher fällt es uns heute oft so schwer, mit solch komplexen Größen zu operieren und soziale Phänomene richtig einzuschätzen.
    Das zerklüftete Hochland von Extremistan liegt hingegen dort, wo abstrakte Werte als gebündelte Größe verhandelt werden, wo vernetzte Systeme am Werk sind und der Teufel immer auf den dicksten Haufen scheißt: So betrug der Wert des globalen Aktienvermögens Anfang 2011 schon wieder 53 Billionen US-Dollar – doppelt so viel wie zwei Jahre zuvor auf dem Höhepunkt der Finanzkrise und
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