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Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Was Sie schon immer über 6 wissen wollten

Titel: Was Sie schon immer über 6 wissen wollten
Autoren: Holm Friebe
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oder bei der Penislänge, trifft sie zu.

    Daneben findet man – gerade bei sozialen Phänomenen – häufig stärkere Ungleichverteilungen, die nicht der Gaußschen Normalverteilung entsprechen. Statt sich einem Mittelwert anzuschmiegen, gibt es hier eine geringe Anzahl sehr hoher und dann sehr viele kleine Werte, sodass sich eine anfangs steil abfallende Kurve ergibt, die nach hinten immer flacher wird: Es gibt zum Beispiel nur eine kleine Gruppe von Menschen, die wie Bill Gates über einen Großteil des weltweiten Reichtums verfügen, während die große Masse sich mit wenig begnügen muss. Der italienische Ingenieur und Ökonom Vilfredo Pareto hat um 1900 solche Kurven untersucht und herausgefunden, dass sie sich häufig auf eine 80:20-Formel bringen lassen. Darauf gekommen war Pareto, indem er sich die Einkommensverteilung Italiens zu der Zeit vornahm und feststellte, dass 20 Prozent der Bevölkerung über 80 Prozent des Vermögens verfügten. Seine ökonomisch-pragmatische Schlussfolgerung: Banken sollten sich mit ihren Dienstleistungen doch auf diesen vermögensstarken Bevölkerungsteil konzentrieren.
    Seither wurde das Pareto-Prinzip mancherorts fast in den Rang einer Welterklärungsformel erhoben. Tatsächlich lässt es sich in den unterschiedlichsten Verteilungsphänomenen wiederfinden: Bei Versicherungen verursachen 20 Prozent der Versicherten 80 Prozent der Schadenssumme, in Unternehmen und Geschäften bringen die 20 Prozent der besten Kunden 80 Prozent des Umsatzes, in Wohnungen weisen 20 Prozent des Teppichs 80 Prozent der Gesamtabnutzung auf. Besonders Coaches und Zeitmanagement-Berater nutzen Pareto, um ihrer Klientel einzubläuen, dass 80 Prozent des Ertrags mit 20-prozentigem Einsatz erreicht oder umgekehrt 80 Prozent der Zeit auf nur ein Fünftel eines Resultats verschwendet würden.
    Für den Zukunftsforscher Karlheinz Steinmüller, ansonsten eher skeptisch, was prognostische Zahlenmagie angeht, leitet sich aus dem Pareto-Prinzip sogar ein normatives Gebot ab: „Diese Muster gibt es ganz offensichtlich und sie sind sehr weit verbreitet. Man kann oft beobachten, dass sich Systeme auf problematische Weise entwickeln, wenn die 80:20-Regel nicht mehr gilt. Wenn beispielsweise 80 Prozentdes Wohlstands nicht mehr bei den reichsten 20 Prozent liegen, sondern sich nur auf die reichsten fünf Prozent konzentrieren, dann weiß man, dass eine Gesellschaft in Schwierigkeiten gerät.“ Dennoch sollte man das Pareto-Prinzip eher als heuristische Hilfe denn als Naturgesetz ansehen. Es liefert keine Letztbegründung, warum eine Vermögensverteilung, die der 80:20-Formel entspricht, gesellschaftlich akzeptabel wäre – und man nicht politisch auf eine Nivellierung hinwirken sollte.
    Im Weltmaßstab haben die Globalisierung und der Aufstieg der Schwellenländer bereits dazu geführt, dass das Pareto-Prinzip nur noch näherungsweise gilt. So finden 75 Prozent des Welthandels heute unter 25 Prozent der Weltbevölkerung statt. Auch in der Betriebswirtschaft könnten die Tage der 80:20-Regel gezählt sein. Gerne haben Unternehmensberater die stupende Weisheit errechnet und verbreitet, dass 80 Prozent des Gewinns mit nur 20 Prozent des Angebots erzielt werden – verbunden mit der impliziten Empfehlung, das Sortiment um die Ladenhüter zu bereinigen. Bei Buchverlagen und Musiklabels sind solche Belehrungen oft ebenso zutreffend wie wohlfeil, weil manim Vorfeld ja nie genau wissen kann, welche 20 Prozent es sind, die sich zu Hits und Umsatzbringern entwickeln werden.

    Chris Anderson, Chefredakteur der Zeitschrift Wired , geht in seiner Kritik traditioneller Marketingstrategien noch weiter. In seinem Weltbestseller The Long Tail vertritt er die These, dass das Pareto-Prinzip im Zeitalter von Online-Vertrieb und virtuellen Lagerbeständen ausgedient hätte und der Glaube daran sich sogar negativ niederschlage. Zu sehr sei man im Business immer noch auf die Hits am vorderen Ende der Pareto-Kurve fixiert. Dabei werde von Internet-Händlern wie Amazon bereits heute die Hälfte des Umsatzes mit den Nischenprodukten gemacht, die sich am langen Ende der Nachfragekurve einsortieren. Auch wenn jedes einzelne dieser Ladenhüter-Produkte nur wenig zum Umsatz beitrage, werde dieser lange Rattenschwanz doch in Zukunft in der Summe den Löwenanteil des Geschäfts ausmachen. Deshalb sollte man sich nicht von der 80:20-Formel irreführen lassen, sondern eher auf eine große Sortimentstiefe setzen.
    Andersons Zahlenwerk wurde teils
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