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Was sie nicht weiss

Was sie nicht weiss

Titel: Was sie nicht weiss
Autoren: Simone van Der Vlugt
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gesucht und die Wunde versorgt. Wie das geht, hab ich in der Schule gelernt, bei einem Erste-Hilfe-Kurs.«
    »Danke«, sagt Lois wieder. Sie kann die Augen nicht von Stefanie wenden. Oberflächlich betrachtet, sieht sie aus wie Tamara und Maaike, trotzdem fallen Unterschiede auf. Wie bei Drillingen, die vom Wesen her unterschiedlich sind. Ihr Blick ist anders, die Körperhaltung auch und sogar die Stimme.
    »Haben wir beide schon einmal miteinander gesprochen?«, fragt Lois.
    »Nein, aber gesehen hab ich dich schon. Als du mit Tamara geredet hast. Sie und ich, wir wissen alles voneinander. Aber sie drängt mich oft weg.«
    Stefanie wirft einen hilflosen Blick auf Lois’ gefesselte Hände und Füße. Dann schlägt sie die Augen nieder, be trachtet den weißen Teppich, auf dem sie sitzt, und murmelt etwas Unverständliches.
    »Was hast du gesagt?«
    »Dass ich Tamara nicht leiden mag. Sie lässt mich fast nie vorkommen.«
    »Warum möchtest du das?«
    »Weil ich dann zeichnen kann. Früher, als Tamara noch nicht da war, konnte ich das oft. Jetzt kaum mehr.«
    Stefanie wirkt so betrübt, dass sie Lois fast leidtut. Sie hat keine Mühe, in ihr ein Kind zu sehen, ein Kind voller Unsicherheiten und Ängste, dem es nur gut geht, wenn es sich seiner Lieblingsbeschäftigung widmen kann.
    Sie muss erreichen, dass Stefanie ihr vertraut, sie auf ihre Seite ziehen.
    »Das Zeichnen macht dir Freude, nicht wahr?«, sagt sie freundlich.
    »Ja, und Maaike findet meine Bilder schön.«
    »Das sind sie auch. Ich hab mal ein Bild von dir gesehen. Am liebsten hätte ich eines ganz für mich.«
    »Soll ich dir was zeichnen?« Ein Strahlen überzieht Stefanies Gesicht, und sie macht Anstalten aufzustehen.
    »Später«, beeilt Lois sich zu sagen. »Jetzt möchte ich noch ein bisschen mit dir reden. Ich fühl mich sonst so allein, weißt du.«
    Sogleich nimmt Stefanie wieder ihren Schneidersitz ein.
    »Tamara will der Frau, die hier wohnt, auflauern«, sagt Lois. »Deshalb hat sie mich gefesselt.«
    Stefanie blinzelt, äußert sich aber nicht dazu.
    »Das willst du doch bestimmt nicht, oder?«, fährt Lois leise fort. »Ich glaube, du bist ganz anders als Tamara. Viel netter.«
    »Ich hab Angst vor ihr, weil sie anderen wehtut.«
    Jetzt kommt es darauf an, die richtigen Worte zu finden. Lois überlegt und sagt dann: »Weißt du was, Stefanie? Du kannst dafür sorgen, dass sie nie mehr jemandem wehtut.«
    »Wie denn?«
    »Als Erstes musst du mich losmachen.«
    »Das geht nicht!«
    »Warum nicht? Du kannst doch eine Schere oder ein Messer holen.«
    »Das kriegt sie mit«, flüstert Stefanie ängstlich. »Maaike hört uns nicht, aber Tamara schon. Alles, was wir sagen. Und wenn ich dich losmache, wird sie wütend auf mich.«
    »Sie hat aber keine Macht über dich. Du holst einfach eine Schere und schneidest mich los, dagegen kann sie nichts tun.«
    »Doch, dann tauscht sie mit mir«, sagt Stefanie.
    »Kannst du sie nicht davon abhalten?«
    »Höchstens kurz, weil das nämlich schwer ist.«
    »Dann mach schnell, hol eine Schere! Bitte!«
    Stefanie schüttelt so energisch den Kopf, dass ihre Haare fliegen. »Das darf ich nicht! Sonst sorgt sie dafür, dass ich nie mehr zeichnen kann. Ich geh jetzt.« Sie erhebt sich.
    »Bitte nicht!«, beschwört Lois sie. »Setz dich wieder hin, damit wir weiterreden können. Nur reden, versprochen.«
    Halb widerwillig setzt Stefanie sich wieder auf den Teppich. »Worüber willst du reden?«
    »Über Tamara. Weißt du, was genau sie vorhat?«
    Stefanie weicht Lois’ Blick aus und kaut an ihrem Daumennagel herum. »Die Frau umbringen, die hier wohnt«, sagt sie nach einer Weile. »Aber vorher noch was aus ihr rauskriegen.«
    »Was?«
    »Die Adresse von jemand anders, den sie auch umbringen will.«
    Ohne an ihre Kopfschmerzen zu denken, nickt Lois, was sie umgehend büßen muss.
    »Findest du das richtig?«, fragt sie.
    Stefanie zuckt die Schultern. »Die haben was ganz Schlim mes mit Maaike gemacht. Es ist schon lange her, aber es war ganz schrecklich. So sehr, dass Tamara gekommen ist.«
    »Weil Maaike es nicht allein ertragen hätte?«
    »Ja.«
    »Und wie genau hilft Tamara Maaike?«
    »So, dass Maaike nichts mehr von dem Schlimmen weiß.«
    »Überhaupt nichts?«
    »Tamara hat die Erinnerungen. Maaike weiß bloß, dass es passiert ist, sonst nichts. Als sie nach Hause kam, war sie voller blauer Flecken und hat zwischen den Beinen geblutet.«
    »Und was ist deine Aufgabe? Warum bist du gekommen?«, fragt Lois
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