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Was Pflanzen wissen

Was Pflanzen wissen

Titel: Was Pflanzen wissen
Autoren: Daniel Chamovitz
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Phytochrom ein durch Licht aktivierbarer Schalter. Hellrotes Licht aktiviert Phytochrom und verwandelt es in eine Form, die für den Empfang von Dunkelrotlicht vorbereitet ist. Dunkelrotlicht deaktiviert das Phytochrom und bereitet es für den Empfang von hellrotem Licht vor. Das ist ökologisch außerordentlich sinnvoll. Denn in der Natur ist das letzte Licht, das eine Pflanze am Ende des Tages sieht, dunkelrot, und das bedeutet für die Pflanze, sie soll jetzt »abschalten«. Am Morgen sieht sie hellrotes Licht und erwacht. Auf diese Weise »weiß« die Pflanze, wann sie zuletzt hellrotes Licht gesehen hat und reguliert ihr Wachstum entsprechend. Doch welcher Teil der Pflanze ist es genau, der das hell- und dunkelrote Licht zur Steuerung der Blüte sieht?
    Aus Darwins Versuchen zum Phototropismus wissen wir, dass das »Auge« einer Pflanze an ihrer Spitze sitzt, die Reaktion auf das Licht jedoch im Stängel stattfindet. Daraus könnten wir schließen, dass das »Auge« für den Photoperiodismus ebenso an der Spitze der Pflanze sitzt. Doch überraschenderweise stimmt das nicht. Richtet man mitten in der Nacht einen Lichtstrahl auf verschiedene Teile der Pflanzen, dann entdeckt man, dass es genügt, nur ein einziges, beliebiges Blatt zu beleuchten, um die Blüte der gesamten Pflanze auszulösen. Wenn andererseits sämtliche Blätter entfernt und nur der Stängel und die Spitze übrig gelassen werden, ist die Pflanze für jegliche Form von Lichtblitzen »blind«, selbst wenn sie von oben bis unten angestrahlt wird. Wenn das Phytochrom in einem einzigen Blatt in der Nacht hellrotes Licht sieht, ist es, als würde die ganze Pflanze bestrahlt. Phytochrom in den Blättern empfängt die Lichtreize und initiiert ein mobiles Signal, das sich über die ganze Pflanze ausbreitet und das Erblühen auslöst.
Blinde Pflanzen im Zeitalter der Genetik
    Wir Menschen haben vier Arten von Photorezeptoren in unseren Augen: Rhodopsin für das Hell-Dunkel-Sehen und drei Photopsine für das Sehen von Rot, Blau und Grün. Außerdem verfügen wir noch über einen fünften Lichtrezeptor, das Cryptochrom. Er reguliert unsere innere Uhr. Nun haben wir gesehen, dass auch Pflanzen vielfältige Photorezeptoren besitzen: So sehen sie richtunggebendes blaues Licht, was bedeutet, dass sie mindestens einen blauempfindlichen Photorezeptor haben müssen. Ihn hat man inzwischen als Phototropin erkannt. Und Pflanzen sehen hell- und dunkelrotes Licht, das über das Erblühen bestimmt. Das deutet darauf hin, dass sie zumindest über einen phytochromen Photorezeptor verfügen. Um festzustellen, wie viele Photorezeptoren Pflanzen genau besitzen, mussten die Wissenschaftler auf die Ära der Molekulargenetik warten, die erst einige Jahrzehnte nach der Entdeckung der Phytochrome begann.
    Ein Vorstoß in diese Richtung wurde erstmals Anfang der 1980er-Jahre von Maarten Koornneef an der Universität Wageningen in den Niederlanden unternommen und später in zahlreichen Laboren wiederholt und weiterentwickelt. Er stützte sich zum Verständnis des Sehens bei Pflanzen auf die Genetik. 13 Koornneef stellte eine einfache Frage: Wie würde eine »blinde« Pflanze aussehen? Pflanzen, die im Dunkeln oder bei schwachem Licht heranwachsen, werden höher als solche, die im Hellen wachsen. Falls Sie sich je im Biologieunterricht bei einem naturwissenschaftlichen Versuch um Bohnensprossen gekümmert haben, dann wissen Sie, dass die Pflanzen im Wandschrank hoch, dünn und gelb, die auf dem Spielplatz draußen jedoch klein, kräftig und grün werden. Es ist ja auch sinnvoll, dass Pflanzen, die versuchen, aus der Erde ans Licht zu gelangen, oder im Schatten stehen und den Weg zu unbehindertem Licht suchen müssen, sich normalerweise im Dunkeln strecken. Sollte Koornneef also eine Pflanze finden, die aufgrund einer Mutation blind ist, dann wüchse sie vielleicht auch bei hellem Licht hoch. Gelänge es ihm dann, blinde Pflanzenmutanten zu identifizieren und zu züchten, könnte er mithilfe der Genetik untersuchen, was bei ihnen nicht in Ordnung ist.
    Koornneef führte seine Versuche an der Arabidopsis thaliana durch, einer im Labor gezüchteten Kleinen Ackerschmalwand, die zu den Kreuzblütlern zählt. Er behandelte eine Partie von Arabidopsis -Samen mit einer chemischen Substanz, von der bekannt ist, dass sie Mutationen in der DNA auslöst (und bei Laborratten auch Krebs verursacht), zog dann Sämlinge unter verschiedenfarbigem Licht und hielt Ausschau nach mutierten Pflanzen, die
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