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Was Pflanzen wissen

Was Pflanzen wissen

Titel: Was Pflanzen wissen
Autoren: Daniel Chamovitz
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Zapfen, und zwar auf einer Fläche, die nur etwa so groß wie ein Passfoto ist. Diese riesige Anzahl von Rezeptoren auf einer so kleinen Fläche verschafft uns die hohe Auflösung der wahrgenommenen Bilder. Sie entspricht der Auflösung einer Digitalkamera mit 130 Megapixeln. Durchschnittliche Digitalkameras verfügen dagegen über lediglich 8 Megapixel, Outdoor-LED-Bildschirme weisen höchstens 10 000 LEDs pro Quadratmeter auf.
    Stäbchen besitzen die höhere Lichtempfindlichkeit und ermöglichen es uns, auch in der Nacht und bei schwachem Licht zu sehen, allerdings nur schwarz-weiß. Für unsere Farberkennung sind – bei genügend hellem Licht – drei unterschiedliche Arten von Zapfen zuständig: die rot-, die grün- und die blauempfindlichen. Der Hauptunterschied zwischen diesen Photorezeptoren besteht in den spezifischen chemischen Stoffen, die sie enthalten. Diese Substanzen, die man bei den Stäbchen Rhodopsin und bei den Zapfen Photopsin nennt, haben eine spezifische Struktur, die sie befähigt, Licht verschiedener Wellenlänge zu absorbieren. Blaues Licht wird von Rhodopsin und dem blau-sensitiven Photopsin absorbiert, rotes Licht von Rhodopsin und dem rot-sensitiven Photopsin. Violettes Licht wird von Rhodopsin, blau-sensitivem Photopsin und rot-sensitivem Photopsin absorbiert, nicht aber von grün-sensitivem Photopsin usw. Haben Stäbchen oder Zapfen das Licht aufgenommen, senden sie ein Signal an das Gehirn, das dann alle Signale von den Millionen Photorezeptoren zu einem einzigen, zusammenhängenden Bild verarbeitet.
    Blindheit kann die Folge von Störungen auf vielen Ebenen sein. Eine mögliche Ursache ist eine gestörte Lichtwahrnehmung der Netzhaut aufgrund eines physischen Defekts in ihrer Struktur oder bei der Erfassung des Lichts (beispielsweise wegen Problemen mit dem Rhodopsin und den Photopsinen). Oder es fehlt die Fähigkeit, die Information an das Gehirn weiterzuleiten. Menschen beispielsweise, die in Bezug auf die Farbe Rot farbenblind sind, haben keine rot-sensitiven Zapfen. Bei ihnen wird rotes Licht nicht absorbiert, und das Gehirn erhält keine roten Signale.
    Das menschliche Sehen erfordert also Zellen, die das Licht aufnehmen, und ein Gehirn, das diese Informationen anschließend weiterverarbeitet, so dass wir reagieren können. Was aber geschieht bei Pflanzen?
Darwin als Botaniker
    Vom Einfluss des Lichts auf das Pflanzenwachstum waren schon Charles Darwin und sein Sohn Francis fasziniert. Es ist wenig bekannt, dass Charles Darwin in den 20 Jahren nach der Veröffentlichung seines bahnbrechenden Werkes Über die Entstehung der Arten eine Reihe von Versuchen durchführte, die die Pflanzenforschung bis heute beeinflussen. In seinem letzten Buch, Das Bewegungsvermögen der Pflanzen, beschrieb Darwin die Beobachtung, dass sich fast alle Pflanzen dem Licht entgegenbiegen. 6 Das sehen wir auch regelmäßig an Zimmerpflanzen, die sich den Sonnenstrahlen zuneigen, die durch das Fenster fallen. Dieses Verhalten nennt man Phototropismus. Im Jahr 1864 entdeckte ein Zeitgenosse von Darwin, Julius von Sachs, dass vorrangig blaues Licht die Pflanzen zum Phototropismus anregt, während sie im Allgemeinen blind für andere Farben sind, die sich auch kaum auf ihre Hinwendung zum Licht auswirken. Doch wie oder mit welchem Teil eine Pflanze das Licht sieht, das aus einer bestimmten Richtung kommt, das wusste damals niemand.
    Mit einem sehr einfachen Versuch zeigten Darwin und sein Sohn, dass diese Neigung nicht auf die Photosynthese zurückzuführen war, also den Prozess, durch den Pflanzen Licht in Energie verwandeln, sondern vielmehr auf eine der Pflanze innewohnende Bereitschaft, sich auf Licht zuzubewegen. Für ihren Versuch zogen Darwin Vater und Sohn mehrere Tage lang in einem völlig dunklen Raum in einem Topf Kanariengras (Phalaris canariensis) . Dann zündeten sie etwa zwölf Fuß von dem Topf entfernt eine sehr kleine Gaslampe an und hielten das Licht so schwach, dass sie »dieSämlinge selbst nicht sehen … noch eine Bleistiftlinie auf Papier erkennen … konnten.« 7 Aber nach lediglich drei Stunden hatten sich die Pflanzen sichtbar zu dem trüben Licht hingebogen. Die Krümmung fand immer an derselben Stelle des Sämlings statt, nämlich etwa 2,5 Zentimeter unterhalb der Spitze.
    (1) Kanariengras (Phalaris canariensis)
    Diese Beobachtung führte die beiden Darwins zu der Frage, welcher Teil der Pflanze das Licht wahrnahm. Dazu führten sie ein Experiment durch, das zu einem Klassiker der
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