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Was Pflanzen wissen

Was Pflanzen wissen

Titel: Was Pflanzen wissen
Autoren: Daniel Chamovitz
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höher wurden als die anderen. Er fand viele. Manche der Mutanten wurden unter blauem Licht höher, erreichten aber unter rotem Licht nur ihre normale Größe. Andere wurden unter rotem Licht größer, blieben aber unter blauem normal. Einige wurden unter UV-Licht höher, entwickelten sich aber unter allen anderen Lichtfarben normal, und wieder andere wurden unter rotem und blauem Licht höher. Einige wenige wurden nur unter schwachem Licht höher, andere nur bei normaler Helligkeit.
    Viele dieser Mutanten, die für bestimmte Lichtfarben blind waren, wiesen Defekte in den jeweiligen Photorezeptoren auf, die das Licht absorbieren. Eine Pflanze ohne Phytochrom wuchs in rotem Licht so, als stünde sie im Dunkeln. Überraschenderweise traten einige der Photorezeptoren paarweise auf, wobei einer für schwaches Licht und der andere für helles Licht spezifisch war. Um die umfassenden und komplexen Befunde kurz zusammenzufassen: Wir wissen heute, dass Arabidopsis mindestens elf verschiedene Photorezeptoren besitzt, von denen einige der Pflanze sagen, wann sie keimen soll, andere, wann sie sich zum Licht hinbiegen soll, und wieder andere, wann es Nacht ist. 14 Manche teilen der Pflanze mit, dass gerade sehr viel Licht auf sie fällt, andere, dass das Licht schwach ist, und wieder andere helfen der Pflanze, im zeitlichen Rhythmus zu bleiben. *1
    (4) Kleine Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) .
    Das pflanzliche Sehen ist also auf der Wahrnehmungsebene wesentlich komplexer als das menschliche Sehen. Für die Pflanze ist Licht ja auch viel mehr als ein Signal: Licht ist Nahrung. Pflanzen nutzen das Licht, um Wasser und Kohlendioxid in Zucker zu verwandeln, der wiederum allen Tieren Nahrung bietet. Aber Pflanzen sind auch ortsfeste Organismen, die sich nicht von der Stelle bewegen. Sie sind buchstäblich an einem bestimmten Ort verwurzelt und können nicht auf Wanderschaft gehen, um Nahrung zu suchen. Als Ausgleich für dieses sesshafte Leben müssen sie die Fähigkeit haben, vor Ort an ihre Nahrung zu gelangen – also Licht zu suchen und einzufangen. Pflanzen müssen wissen, wo sich das Licht befindet, und statt sich wie die Tiere zu ihrer Nahrung hinzubewegen, müssen sie ihrer Nahrung entgegenwachsen.
    Eine Pflanze muss wissen, ob eine andere Pflanze über ihr gewachsen ist und ihr das Licht für die Photosynthese wegnimmt. Merkt eine Pflanze, dass sie im Schatten steht, wächst sie schneller, um herauszukommen. Außerdem müssen die Pflanzen überleben, das heißt, sie müssen wissen, wann sie aus ihren Samen »schlüpfen« müssen und wann sie sich vermehren sollen. Viele Arten von Pflanzen beginnen im Frühling zu wachsen, so wie auch viele Säugetiere im Frühjahr Junge bekommen. Woher wissen die Pflanzen, dass der Frühling gekommen ist? Das Phytochrom teilt ihnen mit, dass die Tage immer länger werden. Pflanzen blühen und samen auch aus, ehe der erste Schnee fällt. Woher wissen sie, dass es Herbst ist? Das Phytochrom sagt ihnen, dass die Nächte länger werden.
Was Pflanzen und was Menschen sehen
    Pflanzen müssen ihrer dynamischen visuellen Umgebung gewahr sein, um überleben zu können. Sie müssen wissen, aus welcher Richtung wie viel Licht für wie lange Zeit kommt und welche Farbe es hat. Pflanzen können zweifellos sichtbare (und auch für uns unsichtbare) elektromagnetische Wellen erfassen. Während wir Menschen nur ein relativ begrenztes Spektrum dieser Wellen wahrnehmen können,sind Pflanzen auch noch für längere und kürzere Wellen empfänglich als wir. Obwohl aber Pflanzen ein viel breiteres Spektrum sehen als wir, sehen sie nicht in Bildern. Pflanzen haben kein Nervensystem, das Lichtreize in Bilder übersetzt. Stattdessen verwandeln sie Lichtsignale in unterschiedliche Wachstumsreize. Pflanzen haben keine Augen, so wie wir keine Blätter haben. *2 / 15
    Aber sowohl sie als auch wir nehmen Licht wahr.
    Sehen umfasst nicht nur die Fähigkeit, elektromagnetische Wellen zu registrieren , sondern auch die, auf diese Wellen zu reagieren . Die Stäbchen und Zapfen in unserer Netzhaut nehmen den Lichtreiz wahr, leiten diese Information zum Gehirn weiter, und wir reagieren auf die Information. Auch Pflanzen können das visuelle Signal in physiologisch erkennbare Instruktionen übersetzen. Es genügte Darwins Pflanzen nicht, das Licht an ihrer Spitze zu sehen, sie mussten es auch aufnehmen und irgendwie in eine Anweisung umwandeln, die den Pflanzen klarmachte, dass sie sich biegen sollen. Sie mussten auf das
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