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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah
Autoren: Stef Penney
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versuchen.«
    »Na ja … Tenes Frau ist gestorben, und niemand wusste, woran. Sie war da, und plötzlich war sie weg. Und Tene hatte eine Schwester, die weggelaufen ist. Ich glaube, sein Bruder ist auch plötzlich gestorben … Pech. Aber zu viel Pech – verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ich bin mir nicht sicher.«
    »Nun, vielleicht war es nicht nur einfach Pech. Die Leute haben geredet … das ganze Unglück …« Er schüttelt den Kopf und zischt durch die Zähne.
    »Das hat Sie aber bei Roses Heirat nicht gestört?«
    Leon presst die Lippen aufeinander, als würde ich seine Geduld strapazieren. »Sie wollte es so. Und ehrlich gesagt hätte sie auch nicht so viele Chancen gehabt, wegen dem …« Er macht eine vage Handbewegung und schiebt mir ein Foto hin. »Das hätte vielen Jungen nicht gefallen.«
    Das junge Mädchen auf dem Bild sieht vollkommen normalaus – bis auf das weinrote Muttermal am Hals. Die Größe und dunkle Farbe sind etwas erschreckend, bis man begreift, was es ist.
    »Jedenfalls waren die Jankos immer allein unterwegs, und man sah und hörte ewig nichts von ihnen. Das Nächste, was wir hörten, war, dass sie weg war. Weggelaufen – und sie wussten nicht, wohin.«
    »Es könnte doch wirklich so gewesen sein.«
    »Ich bin mir sicher, sie ist tot. Das spüre ich in den Knochen. Ich weiß es einfach.«
    »Also …«
    Leon verschränkt die Hände. »Um die Wahrheit zu sagen, Ray – und das sage ich nur, weil Sie einer von uns sind –, ich hatte neulich einen Traum …«
    Kurz kommt mir der Gedanke, dass mich hier jemand lächerlich machen will.
    »In meinem Traum war sie tot. Sie kam zu mir und sagte, dass Ivo und Tene sie erledigt hätten. Ich halte nicht viel von Träumen oder dukkering , glaube nicht daran, aber diesmal war es anders. Ich weiß es einfach.«
    Ich schaue gereizt auf meinen Notizblock. Einen hoffnungsloseren Fall kann ich mir nicht vorstellen. Andererseits könnte er langweilige, aber lukrative Arbeit bedeuten. Man kann im Leben nicht allzu wählerisch sein.
    Leon starrt mich an. »Ich weiß, was Sie denken. Sie halten mich für einen verrückten alten Mann … Träume und so weiter, stimmt’s? Es ist lange her, das weiß ich doch. Aber meine Tochter ist nicht da. Und niemand weiß, wo sie steckt oder ob sie überhaupt noch irgendwo steckt. Was also ist mit ihr passiert?«
    Das Telefon klingelt. Ich zucke zusammen. Andrea hat wohl vergessen, den Anrufbeantworter einzuschalten. Ich hebe ab und lege wieder auf. Pech, wenn es ein neuer Fall war. Wohl eher der Vermieter.
    »Wissen Sie, wie man die Jankos erreichen kann?«
    »Die werden Ihnen nichts erzählen. Sie sagen, dass sie vor sieben Jahren weggelaufen ist; oder vor sechs, mit irgendeinem Mann.«
    »Dennoch müssen wir dort anfangen, wo sie zuletzt gesehen wurde. Von da aus arbeiten wir uns vorwärts.«
    »Die Jankos waren nicht arm. Tene zog gerne umher. Er hielt an den alten Sitten fest, Sie wissen schon.«
    »Wann haben Sie die Familie zuletzt gesehen?«
    Leon rutscht auf seinem Stuhl herum. »Eigentlich habe ich sie seit damals nicht gesehen. Nein.«
    »Seit der Hochzeit?«
    Er nickt. »Ray … Mr Lovell … Sie wissen ebenso gut wie ich, dass die Polizei mich auslachen würde, wenn ich damit ankäme. Sie würden glauben, der alte Zigeuner ist bekloppt, den stecken wir in ein Heim. Wen interessiert schon seine blöde Tochter? Eine Zigeunerin weniger – kein großer Verlust. Genau das würden sie denken.«
    Das dicke Bündel Scheine in seiner Tasche fällt mir ins Auge. Die zumindest sind etwas Greifbares. Er bemerkt meinen Blick.
    »Sie könnten sich doch das offizielle Zeug anschauen, oder? All das im Computer. Sie kennen sich damit sicher aus.«
    Er sieht zufrieden aus, weil er weiß, dass er mich am Haken hat. Er wirft einen zuversichtlichen Blick auf den PC auf dem Tisch, als wäre er eine Kristallkugel, die ich einschalten und in der ich alles sehen kann, was ich möchte. Ich erkläre mich bereit, mir die Sache anzusehen, und spreche die üblichen Warnungen aus, was Vermisstenfälle angeht – langwierig, teuer und oft ergebnislos. Worauf er mich an Georgia Millington erinnert. Also liest er Zeitung. Oder jemand liest sie ihm vor. Bevor er geht, nimmt er eine Rolle Zehner aus der Tasche und legt sie auf meinen Schreibtisch, wo sie sich langsam entrollen wie ein Tier, das aus dem Winterschlaf erwacht.
    Als ich allein bin, blättere ich die Geldscheine durch – ich habe schon viele Fälschungen gesehen, aber diese
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