Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Was mit Hass begann

Titel: Was mit Hass begann
Autoren: Jude Deveraux
Vom Netzwerk:
sind alle ein bißchen müde«, erklärte Ruth, warf mir einen bösen Blick zu, packte ihren größten Koffer und versuchte, ihn hinten in das Fahrzeug zu werfen. Sie wußte seit langem, wie man die Aufmerksamkeit eines Mannes am schnellsten auf sich lenkt: indem man etwas tut, was Sache des Mannes ist.
    Auf der Stelle hörte Cowboy Taggert auf, mich so anzustarren, als hätte es ihm die Sprache verschlagen, und wandte sich der lieben Ruth zu, um ihr mit dem Koffer zu helfen. Ich persönlich staunte schon darüber, daß sie überhaupt wußte, wo der Griff ist. Ich hatte nicht gesehen, daß sie ihn vorher angefaßt hätte.
    In diesem Augenblick vernahmen wir alle ein Geräusch, das wir schon hundertmal im Film gehört hatten, aber noch nie im wirklichen Leben: das Klappern einer Klapperschlange. Mr. Taggert hatte den großen, schweren Koffer auf den Armen, und Ruth stand links von ihm, und zwar so nahe, daß man nur hoffen konnte, sie hätte ein Verhütungsmittel bei sich. 15 Zentimeter von ihrem Fuß entfernt, lag zusammengerollt die Klapperschlange. Sie sah aus, als ob sie es ernst meinte.
    Mr. Taggert sprach mich an, weil ich am weitesten entfernt stand und der Wagentür am nächsten war. »Machen Sie die Tür auf!« sagte er ganz langsam und ruhig. »Unter dem Fahrersitz liegt eine Pistole. Holen Sie sie heraus, kommen Sie ganz langsam auf der anderen Seite um das Fahrzeug, und geben Sie sie mir!«
    Ich will mich nicht loben, aber in plötzlich auftretenden Notfällen arbeitet mein Hirn blitzschnell. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die in solchen Augenblicken wie gelähmt sind. Auf der Stelle war mir klar, daß sein Plan einige Löcher hatte. Erstens, wie wollte der Mann einen Schuß abgeben, wenn er Arme und Hände mit Ruths Koffer voll hatte, der seine 35 Kilo wog? Und zweitens würde ich für den Weg um das Fahrzeug eine ganze Zeitlang brauchen. Vielleicht länger, als die Schlange Ruth noch Zeit lassen würde.
    Langsam öffnete ich die Wagentür. Außer mir bewegten sich nur die Klappern der Schlange, die sich auf dem freien Feld furchtbar laut anhörten. Langsam beugte ich mich in die Fahrerkabine, zog die Pistole hervor und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Zum Glück war es keiner dieser schweren Revolver, für die man die Hände eines Holzfällers benötigt. Es war eine nette kleine 9-mm-Pistole. Man brauchte nur den Verschluß zurückzuziehen, zu zielen und abzudrücken.
    Und genau das tat ich. Meine Hand zitterte etwas. Deshalb blies ich der armen Schlange auch nicht sauber den Kopf weg. Aber getötet habe ich sie jedenfalls. Dabei hatte sie möglicherweise nur die Wärme von Ruths Koffer gesucht.
    Dann überstürzten sich die Ereignisse. Der Cowboy ließ den Koffer auf die Erde fallen. Dann konnte er gerade noch Ruth auffangen, die ohnmächtig in seine großen, starken Arme sank, während sich Winnie und Maggie schluchzend aneinanderklammerten.
    Ich stand mit dem rauchenden Revolver in der Hand allein da. Nach einem Blick auf Ruth, die in überaus vorteilhafter Pose in den sonnengebräunten Armen des Cowboys lag, parodierte ich, so gut ich konnte, den Western-Helden John Wayne, indem ich mich breitbeinig hinstellte, auf die Revolvermündung blies und die Waffe dann in die Rocktasche steckte. »So, Tex«, sagte ich gedehnt, »da hätten wir wieder jemand für Boot Hill.«
    Man brauchte kein Diplom in Psychologie zu besitzen, um zu erkennen, daß der Cowboy zornig war. Er sah mich in der Tat so an, als wollte er mir gern die Hände um die Kehle legen und fest zudrücken. Aber da er alle Hände voll mit Ruths ohnmächtigem Körper zu tun hatte, blieb es bei unheilverkündenden Blicken. Trotz seiner Behinderung trat er einen Schritt auf mich zu, und ich wich zur Seite aus. Ich glaube zwar nicht, daß es in Colorado erlaubt ist, jemand in aller Öffentlichkeit umzubringen. Doch ich wollte mein Glück auch nicht auf die Probe stellen.
    Doch er ließ seine kostbare Bürde nur auf den Wagensitz gleiten und sagte dann zu ihrer dünnen Hofdame, sie solle auch einsteigen. Wahrscheinlich hätte er auch gern die Tür zugeworfen, aber das hätte die schlafende Schönheit ja wecken können. Ruth spielte nämlich noch immer den sterbenden Schwan. Doch an ihren flatternden Lidern sah ich, daß sie so hellwach war wie ich.
    Winnie/Maggie und ich traten zur Seite, während er die Koffer, immer vier auf einmal, unter die Heckklappe des Transporters schob.
    »Steigen Sie ein!« sagte er zu Ruths Untergebener.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher