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Was mit Hass begann

Titel: Was mit Hass begann
Autoren: Jude Deveraux
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diesen tiefen, ihr Leben ändernden Frieden spüren, den die Männer gefunden hätten. Doch außer den Sekretärinnen, die den Laden in der Firma während des zweiwöchigen Aufenthalts der Männer in Colorado geschmissen hatten, gab es nur eine leitende Angestellte, nämlich Ruth. Ihr wurde gesagt, sie solle sich mit drei von ihr ausgewählten Freundinnen auf die Reise machen.
    Ruth rief mich an. Man konnte beim besten Willen nicht behaupten, daß wir Freundinnen gewesen wären. Wir hatten nur gemeinsam das College besucht, und im ersten Jahr hatten unsere Schlafräume sich gegenübergelegen. Ruth stammte aus einer wohlhabenden Familie. Ihre Eltern beteten sie an und kannten nur ein Lebensziel: ihre Tochter sollte alles bekommen, was sie sich wünschte. Indessen hatte ich das College auf Regierungsstipendium besucht und an jedem Wochenende nach Haus fahren müssen, um Gras zu mähen und ähnliche Tätigkeiten zu verrichten, vor allem aber die unersättliche Gier meines Vaters zu befriedigen, der immer jemand um sich haben wollte, den er demütigen konnte. Ruths und meine Herkunft war zu unterschiedlich, als daß wir viel Gesprächsstoff gefunden hätten.
    Also, da war zunächst mal Ruth selber. Sie war groß, hatte dichtes, dunkles Haar, das immer so saß, wie sie es haben wollte, und jede Menge prächtiger Kleider. Sie gehörte zu jenen Mädchen, die sich selbst zu einem einfachen Sweatshirt einen Schal von Hermès um den Hals binden. Und sie hatte immer ein Gefolge von übergewichtigen, kuhäugigen Mädchen mit schlechtem Teint um sich. Nach einer gewissen Zeit wurde es einer von ihnen zu blöd, Ruth immer nur anzubeten und zu bedienen. Sie wurde sogleich durch eine neue ersetzt. So wechselte ihr Gefolge dauernd.
    Da ich die Nase fast immer in ein Buch steckte, beobachtete ich Ruth nur von weitem. Okay, ich geb's zu, nicht ohne Neid. Dann stellte ich mir vor, aus mir häßlichem Entlein würde auch mal ein schönes Mädchen mit lockigen Haaren werden, das in der Gesellschaft Erfolg hatte, statt immer nur die falschen Worte zur Unrechten Zeit zu sagen. Doch im übrigen hatte ich keine Ahnung, daß Ruth von meiner Existenz überhaupt Notiz nahm.
    Ich hatte Ruth unterschätzt. Sie mich nicht. Denn eine Frau wie ich, die sich mit 30 auf ihrem Gebiet an die Spitze vorgekämpft hat, unterschätzt niemand mehr.
    Am Telefon erzählte sie mir, wie stolz sie auf meinen Erfolg sei, daß sie seit Jahren meine Karriere verfolgt habe und mich schon im College beneidet hätte.
    »Wirklich?« sagte ich und riß wie ein Kind die Augen auf. »Du hast mich beneidet?«
    Obwohl ich mir sagte, daß sie mir nur Honig um die Backen schmieren wollte, fühlte ich mich geschmeichelt. Sie sagte, sie hätte immer voll Bewunderung mitangesehen, wie mir im College alle mit Ehrerbietung begegnet wären. Ich konnte mich nur erinnern, daß jeder mich dazu überreden wollte, seine schriftlichen Hausaufgaben für ihn zu erledigen. Aber da Ruth mit ihren Lobeshymnen nicht aufhörte, ließ ich sie gewähren. Die wenigsten Menschen ahnen, wie hungrig ein Schriftsteller nach Anerkennung ist. Es gibt sogar eine Redensart: Du mußt eine schlimme Kindheit durchgemacht haben, um Schriftsteller zu werden. Als Kind habe ich alles versucht, um die Anerkennung meines Vaters zu gewinnen. Ich hatte im Zeugnis lauter Einsen. Ich machte 90 Prozent aller Hausaufgaben. Ich gab kluge Antworten, wenn ich glaubte, er wollte kluge Antworten von mir hören, und ich schwieg, wenn ich meinte, schweigen zu sollen.
    Zeitweise kam ich mir vor wie eine dieser kleinen Enten in der Rummelschießbude. Ich zog an den Schützen vorbei, und manchmal wurde ich getroffen, manchmal nicht. Aufregend ist eine solche Kindheit schon. Aber wenn man dann erwachsen wird, würde man fast alles tun, um einmal gelobt zu werden. Mit Geld bin ich nicht zu kaufen. Niemand kann mich dazu bringen, etwas zu tun, was ich nicht tun will. Aber Sie brauchen mir nur sechs lobende Worte zu sagen, und ich bin Ihnen verfallen.
    Also erzählte mir Ruth eine Menge darüber, wie fabelhaft ich sei. Sie habe auch alle meine Bücher gelesen. Komisch, daß ihr Lieblingsbuch ausgerechnet das war, in dem sie mir zum Vorbild für das Opfer gedient hatte. Ich hatte dafür gesorgt, daß der Mörder ihr die Haare, Augenbrauen und Wimpern abrasierte, damit sie im Sarg richtig scheußlich aussähe. Schließlich sprach Ruth von dieser Colorado-Tour, an der sie teilnehmen mußte. Sie wollte, daß ich mitkäme, damit wir unsere
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