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Ein Mann - Kein Wort

Ein Mann - Kein Wort

Titel: Ein Mann - Kein Wort
Autoren: Beate Weingardt
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Einführung
    »Ehe ist nie ein Letztes, sondern Gelegenheit zum Reifwerden.«
    J OHANN W OLFGANG VON G OETHE
    In diesem Buch geht es nicht um
die
Männer oder
die
Frauen, auch wenn sie im Text oft der Einfachheit halber so genannt werden. Es geht natürlich nur um einen
Teil
der Männer, nämlich um jenen Teil, mit dem Mann ebenso wie Frau sich möglicherweise wunderbar unterhalten kann – über Arbeit und Hobby, Urlaub und Sport, Computer und Autos, Musik und Technik, Politik und Wirtschaft, Wissenschaft und Zukunftsziele und vieles andere mehr. Ja, es ist in der Tat ein breites Spektrum an Lebensbereichen, worüber dieser Teil der Männer gerne spricht. Wenn man mit ihnen über eines oder mehrere dieser Themen redet, spürt man ihr Interesse, ihr Wissen, oft auch ihre Leidenschaft. Man kann von diesem Teil der Männer unter Umständen Wichtiges erfahren und lernen; es macht Spaß, zu fachsimpeln und zu diskutieren, Informationen und Erfahrungen auszutauschen – sofern sie nicht dazu neigen, Monologe zu halten und den anderen zum Zuhörer zu degradieren. Und sofern sie nicht der Meinung sind, im Zweifelsfall besser Bescheid zu wissen und recht zu haben – egal, worum es sich handelt.
    Doch davon gehen wir aus. Allerdings fällt mir als Frau, je länger ich mich mit einem solchen Mann unterhalte, auch etwas anderes auf: nämlich, worüber er
nicht
spricht.
    Um es kurz und knapp zu sagen: Er spricht über sein äußeres Leben, aber nicht über sein inneres. Er spricht – eventuell – über seine körperlichen Leiden, aber er spricht in der Regel nicht über seine seelische Verfassung. Er spricht möglicherweise über seine Herzrhythmusstörungen, aber nicht über das, was ihm zu Herzen geht. Er äußert unter Umständen Besorgnis über seinen hohen Blutdruck, aber verliert kein Wort darüber, was ihn seelisch massiv unter Druck setzt. Er spricht durchaus offen über seine Magenverstimmungen,aber nicht über das, was ihm so auf den Magen schlägt. Wir hören vielleicht beiläufig etwas über seine Nierensteine, aber keine Andeutung darüber, was ihm an die Nieren geht. Wir erfahren von seinen hartnäckigen Rückenschmerzen, aber nicht davon, woran er so schwer zu tragen hat …
    Ich könnte die Reihe noch fortsetzen. Auffallend ist auf jeden Fall eines, nämlich die Sprachlosigkeit, wenn es um das eigene Gefühlsleben geht – und um das, was aufs Engste damit verbunden ist: das Beziehungsleben.
    Natürlich – und erfreulicherweise – gibt es auch die anderen Männer, die über diese persönlichen Themen offen und ohne größere Hemmungen sprechen können, sofern sie ein aufgeschlossenes und vertrauenswürdiges Gegenüber vorfinden. Es gab sie schon immer – man denke nur an die Dichter, einen Dichter wie z.B. Johann Wolfgang von Goethe, der einmal schrieb: »
Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott, zu sagen, wie ich leide
.« 1
    »Gab mir ein Gott«: Auch Goethe sah es offenbar als eine außergewöhnliche Gnade und Begabung an, dem Schmerz seiner Seele, aber auch ihren Freuden und ihren Bedürfnissen sprachlich Ausdruck verleihen zu können. Und in der Tat: Mir scheint, diese sprachfähigen Männer sind eine Minderheit. Zumindest erlebe ich dies in der Altersgruppe, mit der ich am häufigsten zu tun habe: bei den Männern über 40 Jahren. Hier dominiert eindeutig die Beredsamkeit, wenn es um Sachthemen geht, und es herrscht Schweigen, wenn es um personale, den Menschen und seine Beziehungen betreffende Fragen geht.
    Ich vermag nicht zu beurteilen, ob der Befund bei der jüngeren Generation anders ausfallen würde – mit anderen Worten: ob es bei den jungen Männern nur noch eine Minderheit ist, die sich so schwer damit tut, über das eigene seelische Erleben zu sprechen. Schön und hilfreich wäre es – allein, ich habe meine Zweifel, die ich im 3. Kapitel begründen werde.
    In diesem Buch geht es aber auch nicht um
die
Frauen. Sie sind genauso wenig eine einheitliche Gruppe, wie es das andere Geschlecht ist. Die Unterschiede
innerhalb
der Gruppe der Frauen sowie
innerhalb
der Männer sind summa summarum vermutlich größer als die Unterschiede
zwischen
den Geschlechtern, darin sind sich die Wissenschaftler schon seit geraumer Zeit einig.
    Doch
ein
auffallender Unterschied darf genannt werden: Die meisten Frauen, die ich erlebe, sind anders als die Männer durchaus »sprachfähig«, was das eigene Innenleben betrifft, wobei es auch hier Unterschiede gibt in dem Ausmaß der Bewusstheit
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