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Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt
Autoren: David Baddiel
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Profil. Ihr war unbehaglich dabei, ihm diese Seite ihres Kopfs zu zeigen, so wie es ihr früher oft in nackter Bauchlage ergangen war, wenn sie fürchtete, er könnte Anzeichen von Cellulitis oder sonstige Makel an der Hinterseite ihrer Schenkel entdecken. Sie meinte, er würde sich das beängstigende Ding innen in ihrem Kopf vorstellen. Von unten drang verzerrt eine Gitarre durch die Decke; »Bad Moon Rising« klimperte jemand und untermalte Emmas Schluchzen. Den Kopf immer noch zur Wand gedreht, sagte sie schließlich: »So, jetzt weißt du Bescheid.« Ihre Stimme klang angestrengt, mußte sich durch den Kloß in ihrem Hals kämpfen, wie an jenem ersten Tag. »Ich bin nicht die verdammte...«, sie suchte nach dem richtigen Wort, und als erstes schoß ihr Königin der Herzen durch den Kopf, komischerweise, denn wie alle anderen hatte Emma längst aufgehört, in diesem Vokabular zu denken, und so verwarf sie es, ließ es fallen wie eine schlechte Karte, »... Göttin, für die du mich immer hältst.«
    »Wirklich?« hörte sie Vic schließlich mit leiser, gepreßter Stimme sagen, so als schnüre sich auch ihm die Kehle zu — aber sie konnte ihn gut verstehen, denn sein Mund war an ihrem Ohr. Von hinten schlang er die Arme um sie. Sie spürte den beruhigenden Rucksack der Liebe und streichelte über seine vor ihr gekreuzten Arme, ließ ihre Hand zu seinem linken Oberarm hochwandern und tastete nach seinem Engel.
    »Es tut mir leid«, sagte sie und drehte den Kopf zu ihm um. »Ich habe es nicht so gemeint.«
    »Ssschhh«, flüsterte er und küßte ihren Nacken.
    »Im Grunde habe ich keine Ahnung, was mir dabei durch den Kopf ging. Jetzt, wo ich es ausgesprochen habe, weiß ich nicht mal, ob es überhaupt stimmt. Vielleicht wollte ich gar nicht, daß sie stirbt. Vielleicht im Gegenteil. Vielleicht wollte ich sie sein. Oder wenigstens deine Freundin und hier mit dir zusammenleben...«
    Er küßte ihr Gesicht, ganz sanft und an hundert Stellen. Sie ließ es zu, aber ihre Gedanken waren anderswo.
    »Vielleicht war es... der Tumor«, brachte sie das Wort mit Mühe hervor. »Du weißt ja: Er bewirkt Persönlichkeitsveränderungen. Bringt einen dazu, verrückte Sachen zu machen. O Vic...«, sie löste sich aus seiner Umarmung, drehte sich um und sah ihm in die Augen. »Du wirst es mir sagen, ja? Wenn ich verrückt werde. Wenn ich anfange, mich schräg zu benehmen und nicht mehr dieselbe bin.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das wird nicht passieren.«
    »Weil du der einzige bist, der es mir sagen könnte«, fuhr sie fort und überging seine fröhliche Zuversicht. »Jetzt kennt mich ja sonst niemand mehr. Nicht richtig. Nicht alles von mir. Du bist der einzige.« Eine andere Traurigkeit trat plötzlich in ihre Augen. »Das kommt davon, wenn man Geheimnisse hat.« Sie hob ihre zarte Harfenistinnenhand und streichelte über seine stoppelige Wange. »Du kennst mich, nicht wahr, Liebster?« Er nickte. »Und ich kenne dich. Wir haben keine Geheimnisse voreinander, nicht wahr?« Er schüttelte den Kopf.
    Dann schwiegen beide, eine lange, lange Stille, in die auch kein »Bad Moon Rising« mehr drang.
    Ihre Hände waren ineinander verschlungen. Draußen schrie eine Stadtmöwe auf der Suche nach dem Meer. So verloren, so weit verirrt.
    »Ich habe solche Angst, Vic«, unterbrach Emma schließlich die Stille und ihrer beider Trance. »Entsetzliche Angst.«
    Er nickte, legte alles Mitgefühl, das er aufbringen konnte, in seinen Blick. »Was kann ich tun?«
    Sie sah zu ihm auf. Sie wußte, die Antwort war: nichts. Sie hatten die Grenzen dessen erreicht, was die Liebe in ihrem immer währenden Kampf gegen ihren Kontrahenten vermochte.
    »Fick mich«, sagte sie.

VIC UND JOE

    » N ein«, sagte Vic. »War ich nicht.«
    »Du warst nicht mit ihr in der Wohnung?«
    »Nein, wir waren dort verabredet, aber ich habe es nicht hin geschafft.« Er machte eine Pause. »Der Roller hatte wieder mal gestreikt.«
    Joe hob eine Braue. »Ach ja?...« Er zog einen seiner weißen Handschuhe aus und zog die Finger einen nach dem anderen lang.
    »Du glaubst mir nicht?« Joe schwieg. Vic stand auf und baute sich vor ihm auf; eine Sekunde war ihm danach, Joe an seinem weißen Kittelkragen zu schnappen. »Na gut, dann laß es sein. Und wieso sollte ich dir eigentlich verdammt noch mal glauben?«
    »Du hast dein Blut gesehen...«
    »Laß mein Scheißblut aus dem Spiel!« schrie Vic. »So wie die Dinge stehen, könntest du mir jeden Unsinn erzählen. Von diesem
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