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Was ist mit unseren Jungs los

Was ist mit unseren Jungs los

Titel: Was ist mit unseren Jungs los
Autoren: Allan Guggenbuehl
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veranstalten. Weiter muss man natürlich im Besitz eines gültigen Fahrausweises sein. Im Restaurant sollte man nicht die Gäste am Nebentisch stören, laut rülpsen oder die allmorgendlichen Turnübungen auf dem Boden durchführen. Wie man sich verhalten soll und was toleriert wird, ist vorgegeben . Servicepersonal und Restaurantbesitzer erinnern durch ihre Präsenz an die Codes, so wie es das Zugspersonal in der Eisenbahn durch Kontrollen tut.
    »Der Besitzer verlangt, dass Sie dieses Lokal sofort und diszipliniert verlassen!«, teilt uns eine Bedienung trocken mit. Wir sind bas erstaunt! Eigentlich wollten wir unsere Bestellung aufgeben, vielleicht noch etwas essen und uns unterhalten. Nach einer langen Autofahrt war ein Bruder mit seinemFreund in Schottland eingetroffen. Zwei Stunden hatte ich im Royal Hotel von Comrie auf die beiden gewartet. Als sie schließlich das Lokal betraten, bemerkte ich, dass am Tisch ein Stuhl fehlte. Kurz entschlossen besorgte ich einen am Nebentisch. Dies war ein Fehler! In der Schweiz wird solche Selbstständigkeit toleriert, in Schottland, wo sich die meisten Menschen wie Untertanen verhalten, gelten andere Codes! Man hat demütig am Eingang stehen zu bleiben und zu warten, bis der Chefkellner einem gnädigst einen Platz zuweist.
    Die Codes in den verschiedenen Räumen dienen auch dazu, Konflikte und damit Gewalt zu verhindern. Ihr Zweck ist, das Funktionieren einer Gesellschaft zu ermöglichen. Junge Menschen brauchen oft Zeit, sich an diese Codes zu gewöhnen und sie zu internalisieren. Sie empfinden sie oft als eine unnötige oder gar repressive Einengung ihres Daseins und befürchten, ihre individuellen Gestaltungsmöglichkeiten und ihre Freiheit zu verlieren. Problematische Verhaltensweisen und Gewaltausbrüche haben auch damit zu tun, dass junge Menschen den halböffentlichen und öffentlichen Raum als einen privaten oder codefreien Raum wahrnehmen.
    Geschenke sind eine subtile Form der Gewaltprävention. Wir beschenken uns nicht nur aus Menschenliebe, Lebensfreude oder Großzügigkeit, sondern Präsente haben auch eine psychologische Funktion. In allen Kulturen hat das Übergeben eines wertvollen oder bedeutungsvollen Gegenstandes eine hohe symbolische Bedeutung. Geschenke fördern den sozialen Zusammenhalt und vermindern die Wahrscheinlichkeit von Konflikten. Mit dem Akt des Schenkens transportieren wir Botschaften. In der Regel braucht es einen offiziellen Anlass, damit wir einem Mitmenschen etwas schenken: Geburtstag, Pensionierung, Firmung. Mit einem Geschenk kann auch eine außerordentliche Leistung gewürdigt werden. Wir beschenken uns, um eine diffizile soziale Situation zu meistern oder eine Gegenleistung zu erbringen. Wenn einem zweiKollegen beim Umzug geholfen haben, dann schuldet man ihnen beispielsweise eine Essenseinladung. Es handelt sich dann um eine Gegenleistung und um ein Zeichen der Wertschätzung der anderen Person. Geschenke drücken auch die Exklusivität einer Beziehung aus. Wenn man der Frau oder Freundin nichts oder aber ein zu großes Geschenk von einer Geschäftsreise mitbringt, dann schöpft sie Verdacht. Das Geschenk symbolisiert eine Beziehungsbestätigung. Geschenkt wird auch, wenn man in einen fremden Raum eindringt. Besucht man den Nachbarn, übergibt man ihm eine Flasche Wein, Pralinen oder einen Blumenstrauß. Indem man etwas gibt, wird signalisiert, dass man auch großzügig sein kann und der Gastgeber nicht nur einen Schmarotzer oder gar Räuber vor sich hat. Es handelt sich um eine Friedensgeste . Der Wert des Geschenkes muss auf die Bedeutung des Anlasses abgestimmt sein. Bringt man bei einer Einladung zu Kaffee und Kuchen zwölf Flaschen Wein mit, dann ist das komisch. Was will er, denkt sich der Gastgeber. Die Besänftigungsgeste verwandelt sich in einen aggressiven Akt. Wie beim Potlash 27 wird das Geschenk als Zeichen der Arroganz und als Machtakt aufgefasst. Wenn das Geschenk übermäßig groß und sehr wertvoll ist, bleibt der andere beeindruckt und verhält sich still.
    »Er hat behauptet, dass man mindestens eine Stunde braucht, um diesen Boden herauszureißen«, teilt mir der siebzehnjährige Berim mit. »Ich, ich habe es in einer halben Stunden geschafft! Mein Chef konnte es nicht glauben!« Der Junge strahlt vor Stolz. Er hat soeben eine Berufslehre als Bodenleger angetreten, nachdem er wegen seines gewalttätigen Verhaltens von verschiedenen Schulen gewiesen worden war und etliche Vorstrafen vorzuweisen hatte. Er galt als
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