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Was ist mit unseren Jungs los

Was ist mit unseren Jungs los

Titel: Was ist mit unseren Jungs los
Autoren: Allan Guggenbuehl
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Ausdruck einer größeren Menschenliebe, einer reiferen Persönlichkeit oder einer intakteren Moral, sondern von etwas Simplem: Wir haben das Glück, in einem sozialen und politischen Kontext zu leben, der uns nicht zwingt, Gewalt anzuwenden. Wir können es uns erlauben friedlich zu sein, Gewalt zu pathologisieren und uns als bessere Menschen zu fühlen. Nicht unser Charakter, sondern die Umstände machen uns zu besseren Menschen. Unsere Lebenssituation hat uns von der Notwendigkeit, Gewalt einzusetzen, befreit. Der Gewaltverzicht ist kein edler Charakterzug, sondern wir haben einfach Glück. Wenn sich die Umstände ändern, wir Gefahren abwenden oder einen Feind bestrafen müssen, dann greifen wir mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder zu den Waffen, schießen, erstechen und quälen Widersacher. Frieden ist immer nur ein temporärer und labiler Zustand, hervorgerufen durch glückliche Umstände.
    Für unsere Vorfahren war Gewalt eine riesige Herausforderung. 21 Sie wurden in verschiedenen Lebensbereichen mit ihr konfrontiert. Im Privatbereich, in der Arbeit, in Dorfgemeinschaften, in den Städten und natürlich auch im politischem Leben. 22 Man versuchte Umgangsformen zu entwickeln, um Gewaltausbrüche einzudämmen. Auf politischer Ebene versuchte man sich vor Gewalt von außen zu schützen. Die Pueblo-Indianer und Maori in Neuseeland bauten ihre Dörfer auf unbequemen Bergspitzen, um sich vor Banden und feindlichen Stämmen zu schützen, und die Todesraten durch Gewalt waren oft um einiges höher als in Europa während der Weltkriege. 23 Bis ins 18. Jahrhundert haben sich europäische Städte mit Mauern umgeben. Gewalt war allgegenwärtig. Gleichzeitig waren unsere Vorfahren auch von einem tiefen Friedenswunsch beseelt. Sobald eine Schlacht gewonnen und die Gefahr gebannt war, wurden Kriege geächtet. Bei den Einwohnern Neu Guineas wurden Krieger als »Abfallmänner« bezeichnet. Schon oft war man überzeugt, dass gewalttätige Auseinandersetzungen definitiv der Vergangenheit angehören. 24 Dass man in einer bestimmten Situation auf Gewalt zurückgreifen muss, überstieg regelmäßig das Vorstellungsvermögen von Gemeinschaften, in denen Frieden herrschte. Das Schreckliche und gewalttätige Konflikte wurden aus dem Denkraum verbannt und man rüstete ab, bis die gesellschaftliche oder politische Situation sich änderte und die Realität es verlangte, auf Gewaltmaßnahmen zurückzugreifen. Friedensphasen, in denen man gemeinsam der Gewalt abschwor und überzeugt war, durch magische Praktiken, Riten oder den Lebensstil gewalttätige Auseinandersetzungen verhindern zu können, wurden durch unerwartete, grässliche Kriege beendet. Immer wieder glaubten menschliche Gemeinschaften, den Schlüssel zum Frieden gefunden zu haben, bis sie schmerzlich eines Besseren belehrt wurden. Oft führte die Unfähigkeit, Konfliktszenarien anzudenken, zum Kollaps menschlicher Gemeinschaften. 25 Gewalt wurde geächtet,tabuisiert – um dann plötzlich wieder bewundert und verlangt zu werden.
    Unsere persönlichen Anstrengungen genügen nicht, um Gewalt zu verhindern. Um Gewalt im Nahbereich, im Privatleben oder im öffentlichen Raum einzudämmen oder zu verhindern, braucht es kollektive Anstrengungen. Zivile menschliche Gemeinschaften sind eine Antwort auf unsere Neigung zu Gewalt. Auf uns allein gestellt, ohne Ordnung sind wir unseren Schattenseiten ausgeliefert und schlagen vielleicht sogar unserem Nachbarn den Schädel ein, nur weil er einen Baum auf unsere Grenze versetzt hat. Wenn wir uns in soziale Kreise, Kulturen oder sogar Nationen einbinden lassen, dann bauen wir vielleicht Hemmungen auf. Unsere sozialen Kontakte und Beziehungen verlangen von uns Anpassungsleistungen. Diese sind oft mühsam, sie helfen uns jedoch, unsere problematischen Seiten zu neutralisieren. Wenn wir uns mit einer Gemeinschaft identifizieren, dann übernehmen wir ihre Verhaltens- und Umgangsformen. Unser Verhalten wird durch Codes, Regeln und Rituale beeinflusst. Das Risiko der persönlichen Gewalt vermindert sich, wenn unsere Bezugsgruppen gewalttätige persönliche Auseinandersetzungen nicht tolerieren. Da wir alleine damit überfordert sind, unsere Aggressionen in den Griff zu bekommen, brauchen wir die Unterstützung unserer Mitmenschen.
    Die Umgangsformen und Werte, die Gemeinschaften auszeichnen, können deswegen als generalpräventive Maßnahmen gegen Gewalt verstanden werden. Die Codes und Standards, die das Zusammenleben einer Gemeinschaft regeln,
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