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Was ist mit unseren Jungs los

Was ist mit unseren Jungs los

Titel: Was ist mit unseren Jungs los
Autoren: Allan Guggenbuehl
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verhindern oder kanalisieren Konflikte. Wer der betreffenden Gemeinschaft angehören will, respektiert ihre Codes. In der Schweiz gibt man sich bei der Begrüßung die Hand, bietet einem Besucher einen Kaffee an, und in England plaudert man ein bisschen über das Wetter. In Japan ist der soziale Kontakt durch eine Vielzahl von komplizierten Höflichkeitsformengeregelt. Je nachdem, welche Position man innehat, muss der Mitmensch anders angesprochen werden. In den Vereinigten Staaten sind joviale Kommunikationsformen die Regel. Lockerheit, Optimismus, Lob und Schmeicheleien sollen den Anderen besänftigen und ein Wohlgefühl verbreiten. Und bei drohenden Dissonanzen wendet man sich sogleich einem anderen Thema zu. Den Schweizern wiederum sind solche Umgangsformen fremd. Sie betreiben Gewaltprävention, indem sie herauszufinden suchen, wer er oder sie ist. Wenn man etwas über die Familienzugehörigkeit oder Herkunft weiß, kann eine Person eher für ihre Handlungen zur Verantwortung gezogen werden, eher das Gesicht verlieren. Jede Kultur hat eigene Antworten entwickelt, wie man mit dem Problem der latenten Aggressionen und Konflikte umgehen kann. Die Höflichkeitsregeln dienen dazu, Macht- und Rollenverteilungen zu respektieren, so dass Entscheidungsabläufe klar sind und es nicht zu Auseinandersetzungen kommt. Konflikte und mühsame Diskussionen werden verhindert. Da wir unseren eigenen Absichten und Worten nicht immer trauen können, braucht es überpersönliche Umgangsformen und Rituale. Zu einer möglichen Antwort auf drohende Gewalt werden darum Umgangsformen, Regeln und Rituale, die Eskalationen bei Konflikten verhindern, ohne dermaßen einzuengen, dass man sich unfrei und ungerecht behandelt fühlt.
     
    Überall, wo Menschen zusammenleben, arbeiten, kommunizieren oder reisen kann es zu Konflikten kommen. Vor allem Lebensbereiche, die nicht durch Codes geregelt sind, bergen die Gefahr der Gewalteskalation. Bei den Umgangsformen handelt es sich um stille Vereinbarungen . Wenn Menschen zusammenleben, ihre Freizeit miteinander verbringen, kooperieren oder Familienpflichten teilen, beginnen sie spontan, Codes und Rituale zu entwickeln. Die helfen dabei, eine potentiell gefährliche Situation zu entschärfen und soziale Unsicherheitzu verhindern. Im Alltag treffen wir beständig auf heikle Situationen. Die Begegnung zweier Menschen oder Menschengruppen ist mit Gefahren verbunden. Wenn wir auf einen unbekannten Menschen treffen, wissen wir zunächst nicht, ob es sich um einen gutmütigen Menschen oder einen Psychopathen handelt. Er könnte uns betrügen, ausrauben, erstechen oder erschlagen. Vielleicht ist er wütend auf uns oder hegt einen teuflischen Plan? Um auch einer wenig oder nicht vertrauten Person begegnen zu können, haben wir Begrüßungsformen entwickelt. Wir kommunizieren nicht mit jedem und allen, sondern erst, nachdem Vertrauensbotschaften ausgetauscht wurden. Wir checken die unbekannte Person, um uns zu vergewissern, dass es sich nicht um ein gefährliches Individuum handelt. In Mitteleuropa schaut man sich in die Augen, gibt sich die Hand, tauscht mimische Signale aus und lächelt. Man nähert sich der anderen Person, ohne ihr zu nahe zu treten. Oft hält man den Kopf leicht vorgebeugt und bleibt stehen oder steht auf. Man starrt sich jedoch nicht nur an, sondern gibt Laute von sich. Die ausgesprochenen Worte und Töne werden gegenseitig analysiert. Welchen Dialekt spricht er? Welche Kernbegriffe verwendet er? Welcher Schicht gehört er an? Vertrauter Dialekt oder gleicher Sprachcode ergeben Vertrauenspunkte. Antwortet jemand in Zürich in einem Walliser Dialekt, dann erhält er oder sie ein paar Bonuspunkte. Da man den Kanton kennt, kann man die Person lokalisieren. Schwieriger wird es jedoch, wenn jemand in einem rumänisch geprägten Deutsch antwortet oder man überhaupt keine gemeinsame Sprache findet. Tonfall oder Sprache lösen in uns Unsicherheit aus. Die Vertrauensfrage ist nicht beantwortet und man empfindet ihn oder sie als fremd, also als eine potentielle Gefahr, oder aber man ist fasziniert. Meistens wird dann nachgefragt, man operiert mit zusätzlichen mimischen Signalen, bemüht den Humor und wird euphorisch. Unbewusst versucht man, die eigene Unsicherheit zu überspielen.Wir reagieren gegebenenfalls mit Sonderanstrengungen, wenn das Begrüßungsritual nicht seinen gewohnten Verlauf nimmt.
     
    Neben den Dialekten und der Sprache versuchen wir, beim anderen vertraute Kernbegriffe oder
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