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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie
Autoren: Paul Nolte
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Demokratie die Amerikaner – wie so oft – optimistischer als die von Selbstzweifeln mehr geplagten Europäer.
    Will man zu einem ausgewogenen Urteil kommen, muss man unterschiedlichen Perspektiven gerecht zu werden versuchen. Das gilt nicht nur für die Verschiedenheit politischer oder geographisch-kultureller Standorte, sondern auch für einen möglichst weiten Blick auf die praktische Gegenwärtigkeit von Demokratie, denn sie manifestiert sich längst nicht mehr nur in Wahlen und Parlamenten. Und nicht zuletzt sollte eine historische Vergewisserung über die Demokratie in gegenwärtiger Absicht ein multidisziplinäres Unterfangen sein. Bloß eine Geschichte der Demokratie zu erzählen genügt nicht. Ebenso wenig genügen die oft unhistorischen Sichtweisen der Sozial- und Politikwissenschaften. Die empirisch orientierte Sozialwissenschaft muss ebenso einbezogen werden wie die Begriffsschärfe der Sozialtheorie und politischen Philosophie, die aber für sich genommen leer und wirklichkeitsfern bleibt. Geschichte, empirische Sozialwissenschaft und Sozialtheorie könnten also das Dreieck einer zeitgemäßen Demokratiewissenschaft bilden. Daran orientiert sich der folgende Versuch. So soll am Beispiel der Demokratie der Anspruch einer «Historischen Sozialwissenschaft» (Hans-Ulrich Wehler) erneut erprobt werden.
    *
    Triumphzug oder Ermüdung, vielleicht sogar Niedergang – wie lässt sich die Geschichte der Demokratie begreifen, in welcher «Tonlage» kann sie heute am besten geschrieben werden? Auch hier kann eine eindimensionale, bloß lineare Sichtweise nicht mehr befriedigen. Am Anfang des 21. Jahrhunderts wissen wir zu viel über die Demokratie, um uns mit einfachen Antworten, so verlockend sie auf den ersten Blick sein mögen, zufrieden geben zu können. Wir sind aufgeklärt und abgeklärt zugleich: weithin einig in der Wertschätzung freier Regierung und freien Lebens und doch ernüchtert gegenüber den utopischen Verheißungen, die sich damit einst verknüpft haben. Aber daraus muss nicht Beliebigkeit folgen. Dieses Buch versucht die Geschichte und Gegenwart der Demokratie in drei Perspektiven zu verstehen und zu erzählen: als eine Erfüllungsgeschichte, eine Suchbewegung und eine Krisengeschichte. Seit den Anfängen der modernen Demokratie im 18. Jahrhundert, vielleicht sogar schon seit der klassischen Demokratie Athens vor zweieinhalbtausend Jahren, haben sich Erfüllung, Suche und Krise ständig überlappt und ineinander verflochten.
    Demokratie als
Erfüllungsgeschichte:
Das ist die klassische Erzählung der westlichen Moderne, die in Aufklärungsdenken, Fortschrittsglauben und Liberalismus wurzelt. Freiheit und Gleichheit erscheinen darin als ein ursprüngliches Versprechen, das über die Jahrhunderte immer weiter und besser eingelöst werden konnte. Dabei mag man den Ursprungsmoment bereits im Athen des 6. oder 5. Jahrhunderts v. Chr. sehen, denn auf dieses Muster haben sich die Forderungen nach «mehr» und «besserer» Demokratie häufig bezogen – bis heute, wenn es zum Beispiel um die direkte Herrschaft in der Volksversammlung oder Volksabstimmung geht. Der wichtigste Anker der modernen Fortschritts- und Erfüllungsgeschichte von Demokratie aber sind die Revolutionen des späten 18. Jahrhunderts in Nordamerika und Frankreich. «All men are created equal»; allgemeine Menschen- und Bürgerrechte; die Republik als freie Regierung anstelle der monarchischen Despotie: Diese Forderungen wirkten als Keimzelle, als eine Art genetischer Code, der sich in den folgenden beiden Jahrhunderten Stück für Stück entfaltet hat. Die Wirklichkeit konnte an den kühnen Versprechen gemessen werden. Sind wirklich «alle Männer gleich geschaffen»? Dann mussten Vermögensschranken der politischen Teilhabe verschwinden. Nur weiße Männer? Auch eine andere Hautfarbe qualifizierte, selbst wenn das lange und hartnäckig, sogar extrem blutig bestritten wurde, zu persönlicher Freiheit, Bürgerschaft und politischer Mitsprache. Und sollte das «gleich geschaffen» und gleich berechtigt nicht für alle Menschen gelten? Dann musste die Geschlechtergrenze irgendwann fallen, auch wenn das bis weit ins 20. Jahrhundert dauerte.
    Mit dem Fortschrittsgedanken verbindet sich also jener der Universalität, der Allgemeingültigkeit, auch in
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