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Was im Leben zählt

Was im Leben zählt

Titel: Was im Leben zählt
Autoren: Allison Winn Scotch
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einem Stadion, als Trainer des neuen Stars, er schleift seinen Abschlag, ich sehe ihn dreimal auf die Homebase schlagen, weil das Glück bringt, voller Elan. Ich kann den schalen Hotdog-Geruch im Stadion riechen und spüre die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht. Tyler ist hier und entdeckt, wer er ohne mich ist, ohne diese Stadt, und das ist mir jetzt klar, so deutlich wie jede einzelne meiner Visionen. Ich öffne die Augen und betrachte den Mann auf unserem Sofa, auf meinem Sofa, und ich weiß auch, dass ich vor dieser Vision nicht zu fliehen brauche.
    Ich nehme einen Zettel und einen Stift vom Couchtisch, um ihm eine Nachricht zu schreiben, doch dann lasse ich den Stift wieder sinken. Nein, nach anderthalb Jahrzehnten, nach fast einem ganzen gemeinsamen Leben wäre das der falsche Weg. Ich werde nicht den Weg wählen, den er gegangen ist. Ich werde echte Worte benutzen, echte Gefühle zeigen und echtes Verständnis für den tiefen Riss, der uns entzweit hat.
    «Tyler!» Ich packe ihn an beiden Schultern. «Tyler, wach auf. Ich muss mit dir reden.»
    «Bäh», bringt er zustande und schiebt meine Hände weg.
    «Nein, Tyler! Wach auf.» Meine Stimme klingt fest und selbstbewusst.
    «Was? Was ist passiert? Was ist los? Ein Notfall?» Er fährt hoch, sieht sich hektisch um, plötzlich völlig da und trotzdem vollkommen wirr, überzeugt, dass er die nächste Katastrophe verpennt hat.
    «Nichts, es ist nichts passiert», sage ich. Doch dann überlege ich es mir anders, während ich mich auf das winzige Eckchen am Fußende der Couch quetsche, das seine Beine nicht mit Beschlag belegen. «Doch, vielleicht doch.» Ich nehme seine Hand, und er reibt sich mit der anderen den Schlaf aus den Augen. «Hör zu. Ich muss ins Krankenhaus, um Darcy abzuholen.»
    «Okay», sagt er mit kratziger Stimme. Er klingt, als würde er viel lieber weiterschlafen. Und ich bin mir sicher, dass es genauso ist. «Ich bin hier, kein Problem.» – «Nein. Darum geht es nicht.» Ich schüttle den Kopf und atme aus. Es ist gleichzeitig schwerer und leichter als erwartet. Ich wünschte, ich hätte es vorher in Gedanken durchgespielt und würde nicht so sehr aus dem Bauch heraus agieren. Ich wünschte, ich hätte mir die richtigen Worte zurechtgelegt, die perfekten Worte, um ihm gerecht zu werden, um uns gerecht zu werden, mir selbst und dem, was ich tun werde. «Wenn ich wieder nach Hause komme, dann … dann brauchst du nicht hier zu sein. Du kannst zurück nach Seattle fahren. Es ist in Ordnung. Du kannst gehen.»
    «Nein, nein! Wovon redest du? Natürlich bleibe ich hier.»
    «Du verstehst mich nicht», antworte ich. «Ich meine, vielleicht solltest du gehen. Ich glaube, ich hatte unrecht, als ich dir vorgeworfen habe, du wüsstest nicht, was Glück wäre.»
    Er verzieht das Gesicht, verunsichert, verwirrt, und fragt sich, wo der Fallstrick lauert. «Ich glaube, du weißt sehr wohl, was Glück ist, und es ist nicht hier, zumindest nicht für dich. Und ich glaube auch nicht, dass deine Anwesenheit hier noch mein Glück sein kann.»
    Er nickt, schüttelt den Kopf, dann nickt er wieder, versucht zu begreifen, was ich sage.
    «Aber ich dachte, das wäre das, was du wolltest. Ich dachte, es würde dich glücklich machen.»
    Ich zucke die Achseln und lächle ihn schief an. «Tja, anscheinend habe ich auch nicht ganz begriffen, was Glück ist.» Ich spüre, wie mein Lächeln sich öffnet, breiter wird und ehrlicher, weil Tyler Farmer alles ist, was ich jemals kannte, weil ich ihn so heftig geliebt habe, dass ich selbst nicht glauben kann, dass ich jetzt bereit bin, ihn aufzugeben. Und trotzdem ist es denkbar, dass ich dank allem, was geschehen ist, jetzt vielleicht den Mut aufbringe, es zu versuchen. Ich streichle ihm über die verschlafenen Augen, die samtweichen Wangen. «Ich habe dich schon geliebt, ehe ich überhaupt wusste, was Liebe bedeutet, Tyler Farmer. Und daran wird sich nie etwas ändern. Aber nun ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir auseinandergehen, verschiedene Richtungen einschlagen, um herauszufinden, ob es noch andere Arten von Glück zu entdecken gibt. Zusammen haben wir es bereits versucht, und hier ist es nicht mehr zu finden.»
    Zwei einzelne Tränen rinnen über sein wunderschönes Gesicht und dann auch zwei über meines. Er küsst mich, dankbar für das Geschenk, das ich ihm gemacht habe – nicht nur ihm, auch mir –, und dann stehe ich auf, lasse meine Hände sanft aus seinen gleiten und trete endlich aus dem
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