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Was im Leben zählt

Was im Leben zählt

Titel: Was im Leben zählt
Autoren: Allison Winn Scotch
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wurde, weil er versucht hat, Martha Connolly zu befingern; ein Anruf bei den Eltern von Randy Rodgers, dessen letzter Zeugnisdurchschnitt schlicht verbietet, ihn in der Herbstsaison weiter Football spielen zu lassen. Doch für mich zählt im Augenblick nur die Prom Night.
    Ich überfliege meine Notizen. Windbeutel? Käsebuffet mit Baguette! Mein Mann Tyler findet, ich soll endlich damit aufhören, so viel Zeit und Energie in diese Kids zu stecken, in das Leben an der Westlake High. Und wahrscheinlich hat er damit nicht ganz unrecht. Vielleicht bin ich wirklich ein bisschen zu nah dran, mit «meiner» Alma Mater ein bisschen zu eng verbunden. Und wennschon! Wenn es hier etwas gibt, dem man sich wirklich mit Haut und Haaren verschreiben kann, dann ist es die Prom Night. Denn ich bin der Überzeugung, dass der Abschlussball wirklich zählt, dass er auf die Schüler eine nicht greifbare, aber wichtige Wirkung hat. Die Prom Night symbolisiert das Ende ihrer Kindheit, ehe wir sie hinaus in die Welt der Erwachsenen entlassen, wo viele von ihnen, und hier in Westlake ganz besonders – einer Stadt mit unsicherem Arbeitsmarkt und mehr als düsteren Zukunftsaussichten –, noch früh genug mit den Schwierigkeiten und Bürden in Berührung kommen, die das echte Leben nach der High School mit sich bringt. Wieso also nicht noch ein bisschen genießen?, sage ich zu Tyler, wenn er mich wieder mal damit aufzieht. Wieso nicht versuchen, es so perfekt wie möglich hinzukriegen?, sage ich zu meiner allerbesten Freundin Susanna, die meinen glänzenden Optimismus nicht teilen mag.
    Kosten für Triumphbogen zur Miete recherchieren , kritzle ich auf meinen Notizblock und entdecke auf der Computertastatur eine winzige Spinne. Der einzige Ort, an dem es noch heißer ist als draußen, ist mein Büro. Die Klimaanlage ist kaputt, deswegen stehen bei mir inzwischen Tag und Nacht die Fenster offen. Jüngst hat sich genau unter dem Fensterbrett eine Spinnenfamilie niedergelassen. Dieses Exemplar hier – nicht größer als die Spitze meines kleinen Fingers – rutscht unsicher über die glatten Tasten und stürzt beim Y ab. Ich schiebe meine Liste unter die klitzekleinen Spinnenbeinchen, und das Tierchen gerät in Panik, macht kehrt und versucht, vom Blatt zu fliehen. Ich eile ans Fenster, ehe die Spinne sich selbstmörderisch vom Papierrand stürzen kann, lehne mich ins Freie und schüttle sie ab, zurück zu ihrer Familie, wo immer die auch sein mag.
    «Das ist also wirklich unser Ernst, ja?», ertönt eine Stimme hinter mir, und ich richte mich wieder auf. Susanna sinkt erschöpft auf mein lilafarbenes Besuchersofa, die Wangen tiefrot, die Haut glänzend, das Top schweißnass auf der Haut. «Himmel! Hier hat es doch mindestens achtzig Grad! Ich vergehe vor Hitze.»
    Ich schnappe mir die Polaroidkamera vom Tisch. «Sag Cheese!»
    «Gott, Tilly! Bitte nicht!» Sie fasst die braunen Haare im Nacken zu einem Knoten zusammen und versucht, sauer zu klingen, aber selbst dazu ist es zu heiß.
    Die Kamera spuckt ein weißglänzendes Quadrat aus, auf dem in knapp zwei Minuten der für die Ewigkeit festgehaltene Augenblick erscheinen wird. Eine meiner Regeln als Beratungslehrerin: Wer sich auf meiner Couch niederlässt, riskiert einen Schnappschuss. An der Wand hinter Susanna ist eine riesige Collage aus all den Gesichtern entstanden, die sich auf der Suche nach Antworten auf meinem durchgesessenen Besuchersofa getummelt haben.
    «Im Ernst. Wollen wir das wirklich durchziehen?» fragt sie. «Dieses Musical? Du machst wirklich keine Witze, ja?»
    Okay. Noch ein Geständnis: Ich habe ein winzig kleines Problem damit, nein zu sagen, Anfragen abzulehnen, und zwar auch dann, wenn ich allen Grund und alles Recht dazu hätte. Es ist allgemein bekannt, dass ich grundsätzlich ja sage, weswegen mich alle ständig um irgendetwas bitten, was wiederum dazu führt, dass ich ständig zu irgendetwas ja sage. Zwei Strikes gegen mich, wie Tyler sagen würde, denn er spricht am liebsten in Baseballanalogien. Aber er hat recht. Willenskraft gehört definitiv nicht zu meinen Stärken.
    «Kannst mich ja verklagen», sage ich immer zu ihm.
    «Nö», antwortet er. «Das wäre viel zu leicht.»
    Als mich also Rektor Anderson neulich abends zu Hause anrief, um zu erzählen, wie leid es ihm tue, dass er sich aus Budgetgründen gezwungen sehe – O-Ton: «Wenn das bescheuerte Bildungsministerium sich tatsächlich für die Bildung dieser Kinder und nicht immer nur für den
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