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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt
Autoren: Diane Janes
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einmal, wie alt sie ist.«
    Bei Simon konnte man davon ausgehen, dass er generell einen vernünftigeren Standpunkt vertrat als Danny. Danny neigte dazu, den Augenblick mit jenem selbstbewussten Enthusiasmus eines Menschen zu umarmen, dem Fortuna wohlgesinnt ist. Simon überlegte kurz, ehe er sagte: »Ich glaube nicht, dass sie so alt ist, wie sie aussieht  – aber ich nehme an, sie ist um die achtzehn.«
    Es war halb als Frage formuliert, und so gab ich vor, darüber nachzudenken, während ich mit zusammengekniffenen Augen in die Ferne spähte, um zu sehen, was sie und Danny gerade machten. »Vielleicht sollten wir sie fragen«, schlug ich vor.
    »Mmm.« Wir waren die nächsten in der Schlange, und Simon war ganz von der Aufgabe beansprucht, Münzen aus seiner Jeanstasche herauszufischen  –  kein leichtes Unterfangen bei derart eng sitzenden Jeans.
    »Wenn sie noch Schülerin ist, könnten wir Probleme kriegen.« In meinen Worten schwang all die geheuchelte Sorge von jemandem mit, der selbst noch nicht mal die zwanzig erreicht hatte, . »Wir wollen doch nicht, dass es heißt, wir hätten sie entführt oder so was.«
    »Aber sie kommt doch aus freien Stücken mit. Es war
ihre Idee. Einmal Schokomint, einmal Rumrosine und zweimal Tuttifrutti, bitte«, bestellte er und fügte gutmütig hinzu: »Ich werde sie fragen, wenn du dich damit wohler fühlst.«
    Wir konnten nicht länger über die Angelegenheit diskutieren, denn sobald Simon die ersten beiden Eistüten erhielt, trat er den Rückweg an. Also trottete ich hinter ihm her über den Strand, wobei das Eis der beiden anderen Eistüten auf meine Finger tropfte.
    »Iih«, sagte ich und leckte meine Hände ab. »Das klebt.«
    »Hey, Trudie«, sagte Simon und gab ihr ihre Eistüte. »Wie alt bist du überhaupt?«
    Ach, diese wundervolle Mischung aus Taktlosigkeit und Unschuld, wie sie nur jungen Männern zu eigen ist!
    Trudies Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Alt genug«, sagte sie mit einem Augenzwinkern, was den anderen ein Grinsen entlockte.
    Also war die Sache erledigt. Wir würden Trudie einen Lift nach Herefordshire geben. Ihr Schicksal war bei einem Tuttifrutti-Eis besiegelt worden.

3
    Ich bin sehr gut darin geworden, interessierte Aufmerksamkeit vorzutäuschen, wenn ich in Wahrheit nur mit halbem Ohr zuhöre. Während Marjorie also empört über irgendjemanden namens George zwitschert, sinne ich über das Problem des kleinen weißen Kuverts nach, das seit zwei Tagen hinter meiner Uhr steckt: außer Sicht, doch niemals außerhalb meiner Gedanken. George ist zweifelsohne einer jener Menschen, über die ich Bescheid wissen sollte  –  ein Mensch, den Marjorie wahrscheinlich früher schon mehrfach erwähnt hat und um dessen Rolle in ihrem Leben ich selbstverständlich wissen müsste.
    »Ich erklärte Mary Goldinghey, sein Protokoll habe nichts mit dem zu tun, was tatsächlich in der Ausschusssitzung gesagt wurde  –  und dass dies auch nicht das erste Mal war.«
    Ich gebe angemessene Unmutslaute von mir, während ich mich zu erinnern versuche, um welchen Ausschuss es sich handeln könnte  –  jedenfalls nicht um den der Frauenfreizeiteinrichtung, es sei denn, man hätte inzwischen Männer aufgenommen. Heutzutage können ja auch Mädchen bei den Pfadfindern eintreten, also wer weiß?
    Soweit ich mich entsinne, sitzt Marjorie in mehreren Komitees. In der Tat scheint die halbe Welt ihre Zeit in
irgendwelchen Komitees zu verbringen  –  vermutlich, um das Leben der anderen Hälfte der Welt zu organisieren. Ich gehöre definitiv der anderen Hälfte an  –  nicht, weil ich mein Leben nicht selbst organisieren könnte, sondern weil ich Komitees grundsätzlich misstraue. Komitees basieren auf Diskussionen, in denen die Redegewandtesten ihre Meinungen kundtun, ehe sie zu einer Mehrheitsentscheidung gelangen, die für alle verpflichtend ist. Eine überstimmte Minorität zu sein hat mein Leben ruiniert.
    Ich nehme mein Shampoo (garantierte Revitalisierung von gefärbtem Haar) mit in die Dusche, was mir Gelegenheit gibt, dem Gejammer für eine Weile zu entrinnen. Das Wasser strömt hervor, überlagert alles andere: Marjories Stimme, den Chlorgeruch, das Musikgeriesel aus der Konserve. Heute Morgen gibt es Musicalhits: enthusiastische Sänger, die Das Phantom der Oper schmettern, als ginge es um ihr Leben. Als ich meinen Kopf direkt unter die feinen Wasserstrahlen halte und die Augen schließe, ist auch das harte Neonlicht ausgeblendet und
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